Autsch! Dylan (Johnny Flynn) ist eher der romantische Typ, der permanent auf der Suche nach der großen Liebe ist. Dylan ist aber auch kein Kind von Traurigkeit und lässt nichts anbrennen. Deshalb hat er mit vielen Frauen Sex - und fängt sich prompt Chlamydien ein. Es brennt dann also doch.
Lovesick erzählt die Geschichte des englischen Endzwanzigers Dylan, der nach der Diagnose all seine ehemaligen Sexualpartner kontaktiert und sie über seine Infektion informiert. Jede Folge hat einen Frauennamen zum Titel - und um diese Frau geht es dann auch in den knapp 25 Minuten. In Rückblenden sieht man, wie Dylan seine Affären kennenlernt und wie sich die Freundschaften zu seinem Mitbewohner Luke (Daniel Ings) und zu Evie (Antonia Thomas) entwickeln. Letztere findet Dylan eigentlich ganz toll, und umgekehrt. Aber zusammengekommen sind sie nie. Stattdessen muss Evie mit ansehen, wie Dylan sich von einer Liebschaft in die nächste stürzt. Um Chlamydien geht es bei Lovesick eher nicht. Sondern vielmehr um zwei Menschen, die perfekt füreinander wären - es soll aber einfach nicht sein.
Lovesick ist eine wunderbar charmante Serie, in der sich britischer Humor, Romantik und Drama vereinen. Mit viel Bissigkeit und ungeschönter Darstellung werden Dylan, Luke und Evie begleitet, als Zuschauer weiß man manchmal nicht, ob man lachen, leiden oder einfach nur den Kopf schütteln soll.
Außerdem ist Lovesick der Beweis dafür, dass man bei Netflix ein Näschen für gute Geschichten mit Potenzial hat: Die erste Staffel mit nur sechs Folgen wurde 2014 vom britischen Sender Channel 4 produziert, ehe Netflix zwei Jahre später die Serie übernahm und eine zweite Staffel produzierte. Diese erschien Mitte November und hat glücklicherweise zwei Folgen mehr als Staffel 1. Über eine geplante dritte Staffel ist Ende 2016 noch nichts bekannt, sie wäre aber absolut wünschenswert.
Drei Staffeln mit insgesamt 22 Episoden (Länge: 21 bis 27 Minuten), Hauptdarsteller: Johnny Flynn, Daniel Ings, Antonia Thomas
Rezension: Gregory Straub
Der Titel Love hört sich einfallslos, zugleich kitschig an, trifft auf diese Serie aber nicht zu. Regisseur Judd Apatow (Regisseur von "Jungfrau (40), männlich, sucht....") erzählt, wie die unvernünftige, chaotische Mickey und der romantische Gus in Los Angeles die Liebe suchen - und wie schwer sie sich damit tun. Gus unterrichtet verzogene Schauspieler-Gören während der Dreharbeiten für eine abstruse Hexen-Serie. Viel lieber würde er sein Geld als Drehbuchautor verdienen. Mickey arbeitet für einen Tröster bei einem Radiosender. Love startet mit Schlussmachszenen: Bei Gus und seiner Freundin ist Schluss, weil sie ihn "zu nett" findet. Und Mickey will nicht mehr mit ihrem Loser-Typen zusammen sein, der Hosen mit seiner Mama kauft.
Gus ist ein Typ, der ehrlicher Weise kein Bisschen zu Mickey passt, sondern eher zu den Nerds in The Big Bang Theory. Doch sie fühlen sich beide so zurückgewiesen von der Liebe, so hoffnungslos, dass eine Beziehung vielleicht doch funktioniert.
Es gibt melancholische Momente in Love, die schmerzen. Liebeskummer-Momente, die uns runterziehen. Augenblicke, in denen Mickey Gus' Gefühle verletzt. Absichtlich. Szenen, in denen Gus blöde Bemerkungen verunsichert weglächelt und in denen wir ihm zurufen wollen: "Hey Gus, lass' dir das nicht gefallen!" Szenen, in denen Mickey in Selbsthass um sich schreit. Es gibt großartig gespielte Situationen, die uns zum Lachen bringen, und solche, in denen wir uns fremdschämen und vom Fernseher wegdrehen.
Fans der HBO-Serie Girls mit Lena Dunham (Judd Apatow war "Girls"-Drehbuchautor) und Fans des Films 500 Days of Summer sind in der Serie Love sehr gut aufgehoben.
Drei Staffeln, insgesamt 34 Episoden (Länge 26 bis 45 Minuten), Hauptdarsteller: Gillian Jacobs, Paul Rust (zugleich Co-Autor)
Rezension: Miriam Sahli-Fülbeck
Die Formel der Korruption besteht aus zwei Alternativen: Plata o Plomo! Silber oder Blei - oder etwas freier übersetzt: Geld oder Tod. Worte, die für den Terror stehen, mit dem Drogenbaron Pablo Escobar und seine Schergen in den 80er- und frühen 90er-Jahren ihr Heimatland Kolumbien überzogen. In der Netflix-Eigenproduktion Narcos wird die Geschichte von Pablo Escobar erzählt - aus der Sicht des US-amerikanischen DEA-Agenten Steve Murphy (gespielt von Boyd Holbrook). Gemeinsam mit seinem Kollegen Javier Pena (Pedro Pascal) unterstützte Murphy seinerzeit die kolumbianischen Behörden bei der Jagd nach dem Terroristen, die am 2. Dezember 1993 mit der Tötung Escobars ihr Ende fand.
Zwei Staffeln lang rekapituliert Regisseur Jose Padilha (RoboCop) Aufstieg und Fall des "Patrons", zu dessen Opfern Richter, Staatsanwälte, Politiker, Journalisten und hunderte kolumbianische Bürger gehörten. Sogar ein Passagierflugzeug ließ Escobar einmal in die Luft sprengen, weil sich einer seiner Widersacher an Bord befunden hatte. Gespielt wird der Bösewicht vom brasilianischen Schauspieler Wagner Moura, der für die Rolle erst Spanisch lernen musste und zudem 25 Kilo zunahm, um dem aufgedunsenen Escobar noch ähnlicher zu sehen.
Narcos legt in seiner Handlungsentwicklung ein enormes Tempo vor - das Leben des einst zu den zehn reichsten Menschen der Welt gehörenden Escobar wird in 20 Folgen erzählt. Zum Vergleich: Das kolumbianische Pendant "Escobar - el Patron del Mal", im Übrigen auch bei Netflix zu sehen, beleuchtet die unheimliche Geschichte Escobars in 74 Episoden. Narcos sieht so über viele Details der blutigen Ära hinweg, dafür jagt ein dramatisches Highlight das nächste, angereichert werden die nacherzählten historischen Ereignisse oftmals mit dokumentarischem Original-Bildmaterial.
Mit dem Tod Escobars ist die Geschichte der "Narcotrafficantes", also der Drogenschmuggler, bei weitem noch nicht zu Ende erzählt. Netflix hat zwei weitere Staffeln Narcos in Auftrag gegeben. Nach dem durch den Tod Escobars aufgelösten Medellin-Kartell wird sich die Geschichte künftig dem Cali-Kartell widmen, das bereits gegen Ende der zweiten Staffel in die Geschichte eingeführt wird.
Wie die Serie ohne den Protagonisten schlechthin weiter laufen wird, bleibt abzuwarten. Die ersten beiden Staffeln jedenfalls sind ein klarer Kandidat fürs "Binge Watching".
Drei Staffeln, insgesamt 30 Episoden (Länge ca. 50 Minuten), Hauptdarsteller: Wagner Moura, Boyd Holbrook, Pedro Pascal
Rezension: Gregory Straub
"Wir sind keine bösen Menschen, aber wir haben etwas Böses getan" - unter diesem Motto steht die erste Staffel von Bloodline. Der Autor, Todd A. Kessler, wurde durch Serien wie "Damages" oder den ungleich erfolgreicheren "Sopranos" bekannt. Ab der ersten Minute ist klar: In der Famile Rayburn ist etwas gehörig schief gelaufen. Und zwar so sehr, dass alles auf ein großes Drama zusteuert. Das schwarze Schaf der Dynastie, Danny, kehrt aus seinem Exil nach Hause in das Familienhotel in den idyllischen Florida Keys zurück. Und der Zuschauer ahnt direkt: Das Zusammentreffen mit seinen Geschwistern John, Kevin und Meg kann kein gutes Ende nehmen.
Auf vielschichtige Weise zeigt Bloodline auf, dass das Drama in der Gegenwart direkt zurückzuführen ist auf viele Ungerechtigkeiten und Missverständnisse, vor allem aber auf gefährliche Loyalitäten in der Vergangenheit. Dabei wird immer wieder mit Kontrasten gespielt. Das Tropen-Wetter im Urlaubsparadies auf der einen Seite und der sintflutartige Regen in der Nacht mit den bösen Taten auf der anderen.
Das schlechte Gewissen der Hauptdarsteller und die auf vielfältige Weise zerstörten Leben ziehen sich dann durch die zweite Staffel, die ihre Spannung aus klassischen Krimi-Motiven bezieht: Werden die Bösen letztlich dann doch geschnappt? Bloodline spielt geschickt mit den Gefühlen der Zuschauer, den von Anfang an wird ihnen vermittelt: Unschuldig ist hier niemand und jeder hat Dreck am Stecken.
Drei Staffeln, insgsesamt 33 Episoden (Länge 51-60 Minuten), Hauptdarsteller: Kyle Chandler, Ben Mendelsohn, Linda Cardellini, Norbert Leo Butz
Rezension: Xaver Bitz
Aziz Ansari spielt Dev, den in New York geborenen Sohne indischer Einwanderer. Dev ist Anfang 30 und verdient sein Geld als Schauspieler in Werbespots. Er stellt die typischen, quälenden Fragen, die die Generation Y (weil sich Y im Englischen wie das Fragewort Why = Warum spricht) bewegen: Was für eine Beziehung will ich führen? Welche Karriere wünsche ich mir? Macht mich das, was ich tue, glücklich?
Aziz Ansari spielt seine Rolle in der mehrfach ausgezeichneten Netflix-Originalserie so herrlich normal. Wenn er was nicht weiß, fragt er Google, wenn er wissen will, wohin er sein Date ausführen kann, fragt er Yelp. In unzähligen Dialogen finden wir uns wieder. Ansari hat eine ansteckende Lache (schauen Sie Master of None unbedingt auf Englisch mit deutschen Untertiteln). Die Serie steigt mit einer Szene ein, die Dev beim Casting zeigt. Dem Magazin Vice sagte der Schauspieler: "Die Anfangsszene von mir beim Vorsprechen, das ist echt. Du gehst zum Casting und siehst all diese indischen Typen und denkst: ‚OK, ich weiß, was hier los ist.' Es ist ein seltsamer Moment, wenn dich jemand bittet, mit Akzent vorzusprechen. Du musst entscheiden, ob du es machst oder nicht." Die Problematik, auf die Herkunft der Eltern reduziert zu werden, zieht sich durch die ganze Serie. Ansari ist nicht nur Hauptdarsteller, auch Drehbuchautor und Regisseur von Master of None.
Und wenn Sie die erste Staffel schon genail finden, können Sie sich freuen: Staffel 2 ist NOCH mal besser. Die Geschichte zwischen Dev und der Italienerin Francesca ist eine, in der sich viele Zuschauer wiedererkennen werden.
Zwei Staffeln (Länge pro Folge etwa 30 Minuten), Hauptdarsteller: Aziz Ansari, Eric Wareheim, Noël Wells
Rezension: Miriam Sahli-Fülbeck
Jessica Jones unterscheidet sich deutlich von all den Iron Mans und Captain Americas, die wir bisher aus dem Marvel Universum kannten. Jessica ist keine Superheldin in glänzender Rüstung, sie trägt Jeans, T-Shirt und Lederjacke. Am Anfang der Serie ist sie körperlich wie mental ein Wrack. Traumatisiert durch schreckliche Erlebnisse lebt sie zurückgezogen in einem heruntergekommenen New Yorker Appartment, schlägt sich als Privatdetektivin durch, meidet soziale Kontakte und trinkt, um ihr Leid zu vergessen. Als dann Kilgrave, der Mann, der ihr Leben zerstört hat, in die Stadt zurückkehrt, muss sich Jessica ihren Dämonen stellen, um ihn zu stoppen.
Nicht nur Jessica, sondern die meisten der Charaktere, haben in ihrer Vergangenheit Schreckliches erlebt und versuchen nun, ihre Ängste zu überwinden. Ihre Konflikte und Schwächen machen die Figuren so lebensnah und während der Zuschauer einerseits Mitleid mit ihnen hat, so kann er gleichzeitig die Motive ihrer Handlungen an vielen Stellen nachvollziehen. Dabei nimmt sich Jessica Jones ausreichend Zeit für Nebenhandlungen und die Entwicklung all seiner Charaktere, die sich wiederum nahtlos mit der Haupthandlung ergänzen.
Auch die Musik und die Bildsprache vermitteln die Düsternis der Serie, die sich schonungslos mit ernsten Themen auseinander setzt. Es geht um Gewalt, Missbrauch, Unterdrückung, Sucht und Mord. Jessica Jones ist brutal und grausam, an manchen Stellen möchte man wegschauen, ist aber gefangen durch die Faszination dieser eindringlichen Geschichte. Denn wer eine ernste, spannende und tiefgründige Serie sucht, der ist hier genau richtig.
Zwei Staffeln, jeweils 13 Folgen (Länge 46 bis 55 Minuten), Hauptdarsteller: Krysten Ritter, Rachael Taylor, Mike Colter, Carrie-Ann Moss, David Tennant
Rezension: Sophie Rohringer
2017 sprachen alle über die umstrittene Netflix-Originalserie "Tote Mädchen lügen nicht" ("13 Reasons Why"). Es ist die Geschichte über die Highschool-Schülerin Hannah Baker, die Selbstmord begeht. Die Szenen sorgen für Aufsehen. Und in diesem Winter reden Serienfans natürlich über die erste deutsche Netflix-Originalserie: "Dark". Und die ist anders als alles, was Sie an deutschen Serienproduktionen bisher gesehen haben. Lesen Sie die TV-Kritik (ohne Spoiler).
Video Dark auf Netflix - Trailer
Übrigens: Netflix hat einen Offline-Modus. Nutzer können ausgewählte Filme und Serien in der Netflix-App herunterladen und unterwegs ansehen.
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