Die Debatte: Darf ein solcher Tatort um 20.15 Uhr laufen?

Der sonntägliche Tatort spielte in der Amateur-Porno-Branche. Die Gemüter waren darüber schon im Vorfeld erhitzt. Wir greifen die Debatte auf und zeigen hier ein Pro und Kontra zum Thema.
Millionen Zuschauer – die genaue Zahl steht erst heute fest – schauten gestern „Tatort“. Das Besondere: Erstmals spielte ein Krimi der Reihe in der Porno-Branche. Es ging darum, den Mord an einer Frau aufzuklären, die ein Doppelleben führte: Tagsüber arbeitete sie im Altenheim, nachts drehte sie Pornos.
Die Gemüter sind erhitzt: Darf ein solcher Film um 20.15 Uhr im öffentlich-rechtlichen Fernsehen laufen? Die Sprache war schließlich derb wie selten. Die Bilder: viel nackte Haut, kopulierende Paare. Vor einigen Jahren wurde der Kölner „Tatort: Franziska“ um 22 Uhr gezeigt – aus Gründen des Jugendschutzes. 2011 musste der BR-„Polizeiruf 110: Denn sie wissen nicht, was sie tun“ ebenfalls wegen zu drastischer Gewaltdarstellungen um 22 Uhr laufen. Für „Hardcore“ galt das nicht.
Das waren die Twitter-Reaktionen zum Tatort
Zu verantworten hat das BR-Redakteurin Stephanie Heckner, die den Film in Abstimmung mit der Jugendschutzbeauftragten des BR „ab 12 Jahren“ und somit für eine Ausstrahlung um 20.15 Uhr freigegeben hat. „Die Bewertung begründet sich darin, dass der Film Pornogeschäft und Pornokonsum als nicht erstrebenswert darstellt“, sagte Heckner. „Uns ging es darum, zu erzählen, wie zerstörerisch die Beschäftigung mit Porno sein kann. Die Ermittler ordnen die Handlung moralisch ein und beziehen klar Position.“
Wir greifen die Debatte auf und drucken ein Pro und Kontra zum Thema.
Pro Ausstrahlung um 20.15 Uhr
Die Diskussion darüber, ob dieser „Tatort“ aus München um 20.15 Uhr laufen durfte oder nicht, ist scheinheilig. Zumindest, wenn man mit dem Jugendschutz

argumentiert. Kinder – und Zwölfjährige sind Kinder, auch wenn sie sich selbst manchmal nicht mehr so fühlen – haben vor überhaupt keinem „Tatort“ irgendwas zu suchen. Es gab zig Krimis aus der ARD-Reihe, die unendlich viel brutaler waren als der, der gestern ausgestrahlt wurde. Wo Leichen mit aufgeschnittenen Kehlen im Wald rumlagen und abscheulich aussahen. Das wurde gezeigt in Großaufnahme. Da hat keiner aufgeschrien.
Aber jetzt, beim Thema Porno, wird hyperventiliert. Klar war die Folge „Hardcore“ heftig. Aber wie will man denn sonst einen Krimi drehen, der in dieser Branche spielt? Wenn man sich entscheidet, die Szene zu beleuchten, dann so, wie es der BR, die Produktionsfirma Hager Moss, der Autor und Regisseur Philip Koch und letztlich auch Udo Wachtveitl und Miro Nemec getan haben, die in ihren Rollen als Ermittler eine ganz starke Vorstellung abgeliefert haben. Mit einer auf den Punkt dosierten Mischung aus Verwunderung, Abscheu und einer Prise Humor sind sie dieser Branche begegnet – und das war gut.
Contra Ausstrahlung um 20.15 Uhr:
Porno ist problematisch. Im Umfeld tritt Menschenhandel auf, die Filme sind zum Teil frauenfeindlich, verherrlichen oft Gewalt und zeichnen ein verzerrtes

Bild von Sexualität. Das Paradoxe: Die Menschen reden nicht drüber, aber sie klicken viel Porno. Und wenn Erwachsene das für gut und richtig halten, verantwortlich damit umgehen – na gut. Es mag für einige oder viele Erwachsene anregende Unterhaltung sein. Die Kritik am Business und an der Tendenz der Sexfilme, Personen zu Dingen zu machen, muss man dennoch aufrechterhalten.
Warum ich aber diesen „Tatort“ nicht um 20.15 Uhr sehen will: Er ist nicht familientauglich. Kinder könnten um die Uhrzeit leicht Szenen sehen oder hören und so mit Pornografie konfrontiert werden. Die kritische Perspektive des Films verstehen sie ja noch nicht. Als Vater einer Frühpubertierenden und eines Zweitklässlers weiß ich, wie schnell der Blick aufs laufende TV-Gerät fällt. Der Film heißt gar „Hardcore“ – die Frage „Papa, was ist Hardcore?“ mögen viele nicht gestellt bekommen. Ich achte auf meine Kinder, aber viele tun das weniger. Daher gehört dieser Tatort nicht um 20.15 Uhr ins Programm, sondern später.