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Narges Rashidi über Schirach-Serie „Glauben“ und die Macht von Social Media

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Von: Katja Kraft

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Autor Ferdinand von Schirach
Inspiriert durch die Wormser Prozesse: Ferdinand von Schirach schrieb die Drehbücher zur Serie „Glauben“. © Jörg Carstensen/dpa

Narges Rashidi spielt in der neuen Serie „Glauben“ von Ferdinand Schirach mit. Jetzt zieht sie ein Fazit über die Macht von Social Media.

Die Wormser Prozesse um mutmaßlich massenhaften Kindesmissbrauch waren einer der größten deutschen Justizskandale (siehe Kasten). Ferdinand von Schirach hat sich beim Schreiben des Drehbuchs für die neue Serie „Glauben“, die seit Donnerstag (04.11.2021) beim Streamingdienst RTL plus (bisher TV Now) und ab 1. Dezember bei Vox* zu sehen ist, von diesen Prozessen inspirieren lassen.

 Peter Kurth als Dr. Richard Schlesinger und Narges Rashidi als Azra in der Serie „Glauben“
Der Strafverteidiger und seine Auftraggeberin: Peter Kurth als Dr. Richard Schlesinger und Narges Rashidi als Azra in der Serie „Glauben“, die bei RTL plus zu sehen ist. © RTL plus

Geschickt wird das Szenario ins Heute mit all den Sozialen Netzwerken versetzt. In Windeseile werden die Vorwürfe des Kindesmissbrauchs kommentiert, geteilt und für wahr befunden. So zeigt Schirach, wie wir uns heute allzu leicht von digitalen Wellen der Empörung mitreißen lassen. Einen kühlen Kopf bewahrt in den sieben Folgen der Strafverteidiger Dr. Richard Schlesinger (Peter Kurth, aus „Polizeiruf 110“ bekannt), der im Auftrag der Geldeintreiberin Azra einen der Angeklagten im Prozess vertritt. Diese taffe Azra wird von Narges Rashidi in einer Mischung aus Coolness und Verletzlichkeit gespielt – denn auch Azra hat eine harte Vergangenheit. Wir sprachen mit der 41-Jährigen über starke Frauen und die Kunst, bei sich zu bleiben.

Was spielen Sie da für eine taffe Lady! Man wünschte sich mehr solche starken Frauen im deutschen Fernsehen.

(Lacht und klatscht begeistert in die Hände): Ja! Danke! Genau! Unbedingt!

Gibt’s in Ihrem Leben weibliche Vorbilder?

Oh, ich kenne ganz viele starke Frauen. Ich habe beispielsweise eine Mutter, die extrem stark ist.

Und in der Kunst?

Ich war lange vernarrt in Kleists Penthesilea. Was ich an ihr so geliebt habe: Sie ist eine solche Kämpferin! Und so verliebt in Achilles, dass sie ihn im Kampf, im Wahnsinn zerfleischt. (Lacht.)

Sie scheinen Extreme zu mögen…

Ja, vielleicht. Stimmt, ich mag komplexe Figuren, wie Katharina aus „Der Widerspenstigen Zähmung“. Oder Maria Stuart.

Doch viel zu oft sind Frauen Opfer. Und nicht nur Frauen, auch Kinder. Pädophilie ist in unserer Gesellschaft verbreiteter als wir wahrhaben wollen…

Es ist schrecklich, gerade weil Kinder so schutzlos sind. Ich musste, um meine Rolle in „Glauben“ vorzubereiten, mich sehr mit dem Thema Kindesmissbrauch auseinandersetzen. Ich habe mir vor den Dreharbeiten viele Interviews angeschaut mit Betroffenen, von Menschen, die misshandelt worden sind. Ich habe ein paar Wochen gebraucht, um das zu verdauen. Es ist wirklich starker Tobak und eine herausfordernde Vorbereitung.

Jemanden öffentlich des Kindesmissbrauchs zu verdächtigen ist eine Gratwanderung. Die Serie zeigt, wie Soziale Netzwerke eine falsche Verdächtigung pushen können, wie wir einander im Internet aufwiegeln. Sind Social-Media-Kanäle Fluch und Segen?

Auf jeden Fall. Ich finde, die Sozialen Medien können im besten Falle extrem viel bewirken. „Time’s up“, „Me too“ – solche Bewegungen wären glaube ich undenkbar gewesen ohne die Sozialen Medien und ohne diese Kultur des öffentlichen Diskurses. Das ist gut und richtig und wichtig. Aber wenn es darum geht, dass Menschen fehlverurteilt werden oder dass Fake News verbreitet werden, habe ich meine Probleme mit Social Media. Die Arbeit an „Glauben“ hat auch mein soziales Medienverhalten verändert. Ich denke heute viel mehr darüber nach, ob ich etwas im Internet poste oder die Posts von anderen teile, gerade bei sozialen oder politischen Themen. Da versuche ich schon, gehaltener zu sein als ich es vielleicht vorher war. Und mich so gut es geht zu informieren, bevor ich etwas teile, nur weil ich in dem Moment emotional darauf reagiere.

Und wie machen Sie sich frei von Vergleichen mit den Menschen, die sich in Sozialen Netzwerken darstellen? Gerade Frauen neigen ja dazu, sich ständig mit anderen zu vergleichen…

Ist das so? Ich weiß nicht, ich glaube, ich habe dieses Gen des Vergleichens nicht. Ich vergleiche mich nicht. Warum auch? Jeder ist doch irgendwie toll auf seine Art. Der einzige Mensch, mit dem ich mich vergleiche, ist mein Ich von gestern. Dieses Vergleichen ist doch auch albern: All diese Bilder mit all diesen Bearbeitungen und Filtern und Verschönerungen sind in Wahrheit nur Märchenabzüge von glücklichen Momenten, die die Menschen von sich zeigen wollen. Sich auf Fotos schlanker machen, die Lippen oder die Br*ste größer machen, die Haut glatter machen – das ist nicht cool.

Ist es Ihnen deshalb so wichtig, starke Frauenfiguren zu spielen? Frauen, die sagen: Das ist mir schnuppe, da mache ich nicht mit?

Als Schauspieler ist es das Schönste, wenn einem ein großes Spektrum an Rollen angeboten wird. Die müssen nicht immer nur stark sein oder cool. Manchmal ist ja auch eine sehr schwache Figur wahnsinnig spannend zu spielen. Wenn ich eine starke Frau spiele, frage ich mich immer: Wo sind ihre Schwächen? Wenn ich eine coole Frau spiele: Wo ist sie uncool? Wenn ich eine schwache Frau spiele: Wo ist sie stark? Das ist, was mich interessiert: Ich versuche, die Gegensätze der Figur zu finden, um so die Figur selbst zu verstehen. In ihrer ganzen Ambivalenz. Denn kein Mensch ist immer gleich. Kein Mensch ist immer gut, kein Mensch ist immer schlecht. Das ist auch das Schöne an der Serie, dass gerade die Antihelden die Stimme der Vernunft sind in unserer Geschichte. Die, die den kühlen Kopf bewahren. Und der aalglatte Staatsanwalt liegt falsch, obwohl er etwas Gutes will. Doch er lässt sich von seinen Emotionen lenken und nicht von Fakten.

Nur von seinem Glauben…

Genau. (Lächelt.)

„Glaube kann Berge versetzen“, heißt es. Gab es Momente in Ihrem Leben, in denen der Glaube an Sie selbst Berge versetzt hat?

Oh ja, ich glaube da ganz fest dran. Es passiert ja alles im Kopf erst mal. Ein iPhone hat es vorher nicht gegeben, das ist im Kopf entstanden von jemandem. Wie Elektroautos und so weiter. Es passiert erst einmal ein Gedanke im Kopf und dann entsteht ein Glaube an etwas

Sie selbst wirken wie jemand, der sehr in sich ruht. Woher kommt dieser Glaube an sich selbst bei Ihnen?

Ach, ich bin gar nicht so gelassen, wie ich jetzt auf Sie wirke. Meine Eltern sind gelassen. Doch es stimmt schon: Ich habe gelernt, dass die Dinge am Ende eh immer so kommen wie sie kommen – deshalb kommt man mit Gelassenheit meist am besten weiter. Gelingt nur leider nicht immer.

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