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Was geschah auf der Gorch Fock? Spielfilm zum Todesdrama heute in der ARD

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Starb, weil sie auf der Gorch Fock über Bord ging: Kadettin Jenny Böken.
Starb, weil sie auf der Gorch Fock über Bord ging: Kadettin Jenny Böken. © dpa

München - Gorch Fock: Die ARD zeigt heute den Film zum Todesdrama um die Kadettin Jenny Böken. Wir erinnern an die wahre Geschichte.

Ihr Schicksal bewegte Millionen: Am 3. September 2008 geht die Gorch-Fock-­Kadettin Jenny Böken kurz vor Mitternacht über Bord. War es Mord, Suizid, ein Unglück? Bis heute sind viele Fragen ­offen. Die ARD hat die Geschichte verfilmt: Am heutigen Mittwoch (ab 20.15 Uhr) läuft das Drama „Tod einer ­Kadettin“, direkt im ­Anschluss gibt es eine ­akribisch recherchierte und mit Empathie gedrehte Dokumentation. Die tz erinnert an die Ereignisse, stellt die Macher des Films vor und lässt Jennys Eltern zu Wort kommen, die die Hoffnung nicht aufgeben, dass die Wahrheit noch ans Licht kommt.

Gorch Fock: Der Film heute in der ARD

Jenny Böken heißt im heutigen Film Lilly Borchert – die Geschichte des ARD-Dramas Tod einer Kadettin ist aber letztlich genau die der 2008 auf der Gorch Fock ums Leben gekommenen Offiziers-Anwärterin. „Der Film ist sehr nah an der Wahrheit“, sagen Jennys Eltern Uwe und Marlis Böken, die die Produktion begleitet haben. Und er ist weit mehr als eine kriminalistische Spurensuche. Natürlich wird heute die Frage gestellt, was in der Todesnacht auf dem Segelschulschiff wirklich passierte. Alle Optionen stehen im Raum: Mord, Selbstmord, Unfall. Aber in Tod einer Kadettin geht es auch darum, den ­„Mikrokosmos Marine“ darzustellen und zu zeigen, wie diese männerdominierte Hierarchie funktioniert, wie Ausbilder weibliche Rekruten schinden, männliche Kollegen geschmacklose Zoten reißen und vieles mehr.

Der heutige Film zum Drama auf der Gorch Fock und "Der Fall Gorch Fock – Die Geschichte der Jenny Böken" zeigen aber auch das Scheitern einer jungen Frau, die als Soldatin möglicherweise den falschen Beruf für sich gewählt hatte. Dargestellt wird Lilly alias Jenny von der deutsch-rumänischen Schauspielerin Maria Dragus (geboren 1994, Deutscher Filmpreis 2010 für Das weiße Band).

Gorch-Fock-Film heute in der ARD: Die Macher des Films

Der Name Ley steht seit Jahren für anspruchsvolle TV-Produktionen. Hannah Ley, Jahrgang 1970, und ihr Ehemann Raymond (58), beide Grimme-Preisträger, haben zum Beispiel Die Nacht der großen Flut (2005), Eichmanns Ende (2010) und Letzte Ausfahrt Gera – Acht Stunden mit Beate Zschäpe (2016) gedreht. Nun das heutige Drama auf der Gorch Fock.

„Es war von Anfang an klar, dass wir den Stoff in der Form eines Spielfilms rein fiktional erzählen – plus einer Doku im Anschluss“, berichten die beiden. Für die Recherche haben sie Gespräche mit den Eltern und Freunden von Jenny Böken geführt, „um mit diesem Wissen ganz klassisch den Stoff fiktional aufzubereiten und über die Figur der Lilly Borchert neu zu erzählen“, wie sie sagen.

Die Bundeswehr indes hielt sich zurück, um es vorsichtig zu formulieren. „Es gab einige Hintergrundgespräche – aber ansonsten hat sich die Marine verweigert, mit uns zu sprechen oder uns mit Kadetten der Gorch Fock sprechen zu lassen“, so Ley. Von Offenheit keine Spur. „Bisher konnte man sich immer hinter noch laufenden Prozessen verstecken“, sagt der Autor. „Aber das ist nun vorbei. Da kommt man schnell auf die Idee: Die ­haben etwas zu verbergen.“

Gorch-Fock-Film heute in der ARD: Die wahre Geschichte

Es ist die Nacht zum 4. September 2008. Der Himmel ist klar, das Meer ruhig. Bei Windstärke 7 fährt die Gorch Fock, Segelschulschiff der Deutschen Marine, nördlich von Norderney durch die Nordsee. Die Wellen sind etwa zwei Meter hoch, was harmlos ist. Nachtwache an diesem Datum hält die 18 Jahre alte Kadettin Jenny Böken. Um kurz vor Mitternacht geht sie über Bord. Elf Tage später wird ihre Leiche bei Helgoland gefunden.

Die Staatsanwaltschaft Kiel wertete 2009 den Fall als Unglück und eröffnete kein Strafverfahren. Im Obduktionsbericht heißt es, Todesursache sei „am ehesten Ertrinken“. Jennys Eltern kämpften lange um die Eröffnung eines Strafverfahrens – vergeblich. Dann wählten sie „als juristisches Vehikel“ Prozesse vor Verwaltungsgerichten, um die Beteiligten vor Gericht befragen zu können. Das Oberverwaltungsgericht Münster wies die Klage auf Entschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz im September 2016 endgültig zurück. „Für uns ging es nicht ums Geld“, sagt Vater Uwe Böken, „sondern um Aufklärung“.

Gorch-Fock-Film: Das sagen die Eltern

Den Tod eines Kindes zu verkraften, ist für Eltern wohl schier unmöglich. Bei Marlis und Uwe Böken aus Geilenkirchen (NRW) kommt erschwerend hinzu, dass die beiden Lehrer bis heute nicht wissen, wie ihre Tochter sterben musste. „Wir halten es für hochwahrscheinlich, dass Jenny schon an Bord zu Tode gekommen ist“, sagt Uwe Böken acht Jahre nach den Geschehnissen. „Einem Unfalltod durch Ertrinken, wie es die Obduktion als wahrscheinlichste Todesursache ergeben haben soll, widersprechen mehrere Ungereimtheiten“, betont Marlis Böken. Auf der Internetseite jenny-­boeken.de haben sie alle offenen Fragen akribisch dargestellt. An einen Mord glauben die Eltern allerdings nicht. „Aber es könnte ein Streich einer Clique gewesen sein, die Jenny auf der Gorch Fock möglicherweise irgend­etwas in den Tee getan hat.“

Bis heute hoffen die Eltern, „dass von den rund 200 Menschen, die damals an Bord waren, einige doch noch die Kraft finden und endlich berichten, was in der Todesnacht wirklich passierte“.

„Tod einer Kadettin“

Heute, 20.15 Uhr, ARD

thy/dpa

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