Pflichtteil.
Was sind denn die Nachteile beim Berliner Testament?
Steiner: Der größte Nachteil ist steuerlicher Art. Zum einen droht Doppelbesteuerung, zum anderen gehen Freibeträge verloren. Das spielt freilich nur dann eine Rolle, wenn entsprechend viel an Vermögen da ist, sprich, wenn die steuerlichen Freibeträge in der Familie überschritten werden. Das ist bei uns in Oberbayern recht schnell der Fall, wenn eine Immobilien im Spiel ist. Da reicht in München schon eine Eigentumswohnung.
Haben Sie ein Rechenbeispiel?
Steiner: Nehmen wir einen ganz einfachen Fall. Ein Ehepaar mit zwei Kindern hat sich gegenseitig zu Alleinerben eingesetzt, der Ehemann stirbt, die Frau erbt alles. Dieser erste Erbfall ist steuerlich meistens noch gar nicht so schlimm, denn es gibt ja die Steuerbefreiung für das Familienheim, den Freibetrag des Ehegatten von 500 000 Euro, einen Versorgungsfreibetrag bis zu 256 000 Euro, vielleicht noch einen steuerfreien Zugewinnausgleich. Also, das geht oft ohne Erbschaftssteuer aus. Aber beim zweiten Erbfall kommt es meistens dicke.
Wieso?
Steiner: Das Vermögen der Ehegatten hat sich akkumuliert und die Kinder haben nur einen Freibetrag, den des Letztverstorbenen. Den Freibetrag aus dem ersten Erbfall können Kinder leider nicht mehr nutzen. Um im Beispiel zu bleiben: Die Ehefrau hatte 800 000 Euro Vermögen, der Ehemann ebenfalls, Die Ehefrau hat unter Nutzung aller Freibeträge die 800 000 Euro ihres Mannes bekommen, ohne dafür Steuern bezahlen zu müssen. Wenn sie selbst stirbt, geht es bei den Kindern schon um eine Summe von 1,6 Millionen Euro. Und der Freibetrag liegt nur bei 400 000 Euro je Kind. Bleiben 400 000 Euro, die jedes der beiden Kinder mit 15 Prozent versteuern muss. Macht 60 000 Euro je Kind, zusammen 120 000 Euro. Das sind zwar wohlhabende Menschen, aber ganz sicher keine Superreichen. Wenn es dann noch nur um eine Immobilie geht, von der ich nicht so leicht etwas abknapsen kann, dann sind 120 000 Euro Erbschaftssteuer aus meiner Sicht schon eine ganze Menge.
Wie hätte man das verhindern können?
Steiner: Man hätte festlegen können, dass die Kinder schon beim ersten Erbfall etwas bekommen, der überlebende Ehegatte wird aber durch Nießbrauch abgesichert. Das heißt, er behält die Kontrolle und den Ertrag aus einer gemeinsamen Immobilie. Damit hätten wir die Erbschaftssteuer auf null gedrückt, weil die Kinder auch den Freibetrag aus dem ersten Erbfall hätten nutzen können. Dazu kommt, dass die Kinder beim zweiten Erbfall auch entsprechend weniger bekommen - also auch weniger Geld zu versteuern haben.
Und das kann man auch in einem Berliner Testament regeln?
Steiner: Ja, in einem optimierten Berliner Testament.
Das Berliner Testament hat auch eine starke Bindungswirkung. Das heißt, der überlebende Partner kann mit dem Vermögen nicht mehr machen, was er will.
Steiner: Ich sehe das nicht als einen Nachteil des Berliner Testaments an. Es ist nur die logische Folge dessen, dass der überlebende Ehepartner alles bekommt. Es stimmt, dass die Kinder, die beim ersten Erbfall nicht zum Zuge kommen, ihren Pflichtteil verlangen können. Aber das kann ich mit keiner Art des Testaments verhindern.
Wie?
Steiner: Es gibt drei Möglichkeiten: Bindung, keine Bindung, eingeschränkte Bindung. Bindung: der Überlebende kann nichts mehr ändern, keine Bindung: er ist vollkommen frei, eingeschränkte Bindung: er kann zum Beispiel innerhalb des Kreises der gemeinschaftlichen Abkömmlinge - so eine häufige Formulierung - andere Regelungen treffen oder bis zu einer bestimmten Summe anderweitig verfügen. Das alles lässt sich in weiteren Klauseln des Testaments festlegen.
Erbschaftssteuerklasse | Verwandtschaftsgrad zum Erblasser | Steuerfreibetrag |
1 | Ehepartner | 500 000 € |
1 | Kinder, Stiefkinder, Enkel (Nacherben von verstorbenen Kindern) | 400 000 € |
1 | Enkel | 200 000 € |
1 | Sonstige Personen | 100 000 € |
2 | Eltern, Voreltern, Geschwister, Nichten Neffen, Stiefeltern, Schwiegerkinder, Schwiegereltern, geschiedene Ehepartner | 20 000 € |
3 | Sonstige Personen | 20 000 € |
Quelle: Immobilien Reicheneder |
Was ist im Fall einer Scheidung?
Steiner: Dann gibt es die gesetzliche Vermutung, dass es nicht mehr gilt, aber der Klarheit halber sollte man es aufheben und neu verfügen.
Wird die Bindungswirkung aufgehoben, wenn der überlebende Ehepartner noch mal heiratet?
Steiner: Der Gesetzgeber sieht vor, dass, wenn der überlebende Partner noch einmal heiratet - oder auch jemanden adoptiert -, er das Testament anfechten und sich so aus der Bindung befreien kann.
Und wenn man das genau nicht will?
Steiner: Dann muss man auch das testamentarisch regeln. Man kann auf dieses Anfechtungsrecht verzichten. Das wäre Klausel 4: Wir verzichten auf das Recht der Anfechtung, insbesondere für den Fall der Wiederverheiratung oder Adoption. Auch da kommt ein Laie wohl eher nicht drauf, wenn er sich nicht von einem Fachmann beraten lässt. (Corinna Maier)