Müssen Senioren bald zur Gesundheitsprüfung? EU-Wende bei Führerschein-Reform
Mehr Sicherheit auf europäischen Straßen, aber ohne verpflichtenden Fitness-Check für Rentner – die EU stellt sich vorerst gegen Reformpläne. Grüne halten dagegen.
Hamburg – Null Verkehrstote bis 2050 lautet das ambitionierte Ziel der EU, das unter dem progressiven Kampagnennamen “Vision Zero” geführt wird. Die EU-Kommission plant vorerst jedoch keine zwingenden Gesundheitschecks für ältere Fahrer, wie es bereits ein manchen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geregelt ist.
Um einer möglichen Altersdiskriminierung zuvorzukommen, betonte die EU-Kommission, dass das Alter allein kein Sicherheitsrisiko beim Autofahren darstellt. Dennoch sollten Führerscheine ab 70 häufiger erneuert werden, um die Fahrtüchtigkeit zu überprüfen.
Die vorgeschlagene Neuregelung zur Erhöhung der Verkehrssicherheit sah vor, dass der Führerschein für Autofahrer ab 70 Jahren alle fünf Jahre erneuert werden muss – allerdings ohne eine verpflichtende Gesundheitsprüfung. Länder, in denen derartige Tests bereits gesetzlich verpflichtend sind, können diese aber beibehalten.

Gesundheit-Check für Rentner? In vielen Ländern schon verpflichtend
Dies betrifft zum Beispiel Portugal, wo bereits ab dem 60. Lebensjahr ein ärztliches Attest vorgelegt werden muss, um die körperliche Fitness, wie z.B. eine ausreichende Sehstärke, zu zertifizieren. Ab dem 70. Lebensjahr ist hier die Gesundheitsprüfung sogar schon alle zwei Jahre verbindlich.
In Italien, Tschechien und Spanien gelten ähnlich strengere Regeln. Kritik gegen die Neuerung kam von Verkehrsminister Volker Wissing (FDP), da „Einzelne immer mehr zum Objekt gemacht“ werden würden. Für viele, und dazu zählt besonders die Grüne EU-Berichterstatterin Karima Delli, sind derartig verschärfte Richtlinien aber sinnvoll. Schließlich nimmt mit zunehmendem Alter das Hör- und Sehvermögen, sowie die körperliche Mobilität ab, und die Reaktionszeit nimmt deutlich zu.
Anzumerken ist, dass die Reaktionszeit autofahrender Personen offenbar auch vom Geschlecht abhängig ist. Eine repräsentative Studie von 2012, in der 30 Frauen und 30 Männer im Alter von 65-75 auf ihre Reaktionszeit untersucht wurden, kam zu dem Ergebnis, dass Männer insgesamt über eine kürzere Reaktionszeit verfügen als die weiblichen Teilnehmer. Diese lag bei den männlichen Probanden bei durchschnittlich 332,3 Millisekunden (Standardabweichung: 42,2), bei den Frauenwaren es 341,3 Millisekunden (Standardabweichung: 41,7).
Neue Führerschein-Reform noch vor den EU-Parlamentswahlen im Juni 2024?
Die Kommission schlägt vor, Mitgliedsstaaten weiterhin entscheiden zu lassen, wie ihre Führerschein-Richtlinien organisieren. Die Entscheidung über neue EU-Vorschriften wird im Dezember erwartet. Finale Verhandlungen könnten im Frühjahr 2024 stattfinden. Doch die Zeit drängt, denn bereits am 9. Juni wird ein neues EU-Parlament gewählt. (ls)