„Einfach nur Wahnsinn“: Armutsbetroffene zeigt Rewe-Bon für drei einfache Artikel
„Eier, Gurke, Gouda gerieben“: Eine Armutsbetroffene musste noch schnell zu Rewe und zeigt sich danach Fassungslos über den Preis.
Dresden - Unter dem Hashtag „ichbinarmutsbetroffen“ melden sich bei Twitter seit geraumer Zeit Menschen zu Wort, die nach eigenen Angaben in Armut leben. Sie schildern - unter Name oder anonym - die Beschwerlichkeiten ihres Alltags. Diese werden wohl eher mehr, denn die Inflation macht vielen Menschen, bei denen das Geld knapp ist, zu schaffen.
Armutsbetroffene melden sich bei Twitter - Rewe-Kundin zeigt Bon für drei Teile
Auf den Alltag der Deutschen schlägt sich die Inflation gefühlt unterschiedlich nieder - und wie es einer Person geht, die jeden Cent zweimal umdrehen muss, wird nun anhand eines Twitter-Postings mit einem Rewe-Kassenbon eindrücklich klar. „3 Dinge vom Wocheneinkauf vergessen. Also nochmal fix zu Rewe“, schreibt die Nutzerin und zeigt ihren Kassenbon aus einer Rewe-Filiale in Dresden.
„DREI Teile: Eier, Gurke, Gouda gerieben. 5,73€. Käse und Eier hätte ich nirgends billiger bekommen. Einfach nur Wahnsinn. Und ob ich die Gurke anderswo viel billiger bekommen hätte, kein Plan.“ Die Gurke schlug laut Bon bei Rewe mit 1,15 Euro zu Buche, der geriebene Gouda mit 2,59 Euro, er stammt ebenso von der Rewe-Eigenmarke wie die Eier für 1,99 Euro.
Für ihr offenes Posting bekommt die Nutzerin viel Mitgefühl. „Es ist so heftig“, schreibt eine Userin. Eine andere meint: „Drei Dinge, die wir nicht mehr kaufen. Ist einfach zu teuer. Wäre das ein einzelnes Produkt das teurer geworden wäre ok. Aber so viele auf einmal ... Keine Chance.“
Inflation in Deutschland leicht abgeschwächt - doch Höhepunkt möglicherweise zu Jahresende
Erstmals seit Juli hat sich die Inflation in Deutschland zwar wieder etwas abgeschwächt, ist aber nach wie vor hoch. Die Verbraucherpreise stiegen im November gegenüber dem Vorjahresmonat um 10 Prozent, wie das Statistische Bundesamt Ende November in einer ersten Schätzung mitteilte. Zuvor war die Jahresteuerungsrate drei Monate in Folge gestiegen und hatte im Oktober einen Wert von 10,4 Prozent erreicht. Volkswirte sehen allerdings keinen Grund zur Entwarnung, auch weil viele Versorger für Januar deutlich höhere Strom- und Gaspreise angekündigt haben. Gegenüber Oktober sanken die Verbraucherpreise im November um 0,5 Prozent. Ob der Höhepunkt der Inflation bereits erreicht ist, ist aus Sicht von Ökonomen fraglich. Manche Volkswirte rechnen erst um den Jahreswechsel damit.
Gerade bei vermeintlichen Grundnahrungsmitteln mahnen Betroffene immer wieder die Preisentwicklungen an. „#IchBinArmutsbetroffen und weiß nicht, wie man solche Preise bezahlen soll“, schrieb Anfang November eine andere Twitter-Nutzerin und zeigte ebenfalls ein Schild aus einer Rewe-Filiale: 450 Gramm Gouda der Eigenmarke für 4,39 Euro.
Tafeln leiden unter Rückgang der Lebensmittelspenden
Gleichzeitig leiden die Tafeln in Deutschland unter rückläufigen Lebensmittelspenden bei gleichzeitig steigender Nachfrage. Jochen Brühl, Vorsitzender des Bundesverbandes der Tafeln, berichtete gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (Montagsausgabe) von einem „spürbaren Rückgang“ der Essens-Spenden. Weiter sagte er: „Handelsunternehmen versuchen, weniger zu verschwenden und ihre Ware kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum oder mit kleinen Schönheitsfehlern über Rabattaktionen noch zu verkaufen.“
Prinzipiell habe er dafür zwar Verständnis, sagte Brühl: Es sei gut, die Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Die Tafeln treffe das aber in der herausforderndsten Situation seit ihrer Gründung vor fast 30 Jahren: „Wir verzeichnen seit Jahresbeginn 50 Prozent mehr Kundinnen und Kunden.“
Derzeit würden rund zwei Millionen Menschen regelmäßig mit Lebensmitteln unterstützt, sagte Brühl. Jede dritte Tafel habe bereits einen Aufnahmestopp verhängen müssen. „Der Andrang wurde mancherorts zu groß. Wir können ja nur das, was wir gerettet oder gespendet bekommen haben, verteilen“, sagte der Tafel-Chef.
Er betonte: „Armut breitet sich aus in der Gesellschaft.“ Durch die gestiegenen Lebenshaltungskosten infolge der Energiekrise kämen nun auch Menschen zu den Tafeln, die vor der Krise halbwegs finanziell über die Runden gekommen seien.
Weihnachten: Viele wollen ihre Ausgaben reduzieren
Wegen der stark gestiegenen Preise sparen viele Menschen nach einer neuen Umfrage bei den Weihnachtsausgaben. Demnach wollen 39 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher in diesem Jahr weniger Geld für Geschenke, Festessen, Restaurantbesuche und Feiern ausgeben, wie das Umfrageinstitut Yougov im Auftrag des Onlineportals Check24 ermittelt hat. Fast ein Viertel - 23 Prozent - wollen laut Umfrage sogar „deutlich“ reduzieren. Die Meinungsforscher hatten für die repräsentative Erhebung Ende November 2246 Menschen befragt.
Hilfe soll bald mit dem dritten Entlastungspaket kommen. Zahlreiche Service-Artikel dazu finden Sie im Geld- und im Wirtschafts-Ressort bei Merkur.de. Aus ganz anderem Grund als den Preisen ärgerte sich unlängst ein Kaufland-Kunde und flüchtete zu Aldi. (lin mit dpa/AFP)