Brienz im Graubünden wird evakuiert: Felssturz droht, ganze Gemeinde zu überrollen
Bewohner einer Gemeinde in der Schweiz befürchten einen Felssturz, der ihr Dorf zerstören könnte. Bis auf Weiteres müssen sie ihr Zuhause verlassen – es gilt Phase Rot.
Update vom 13. Mai, 15.05 Uhr: „Es ist niemand mehr im Dorf“, bestätigt Gemeindesprecher Christian Gartmann am Samstagmorgen. Das SRF berichtet unter Berufung auf Informationen der Nachrichtenagentur Keystone-SDA über die Evakuierung von Brienz. Die Bevölkerung wurde in über 130 Wohnungen in der Umgebung untergebracht. Möglicherweise dürfen sie nie wieder nach Brienz zurückkehren, wie sich die Lage des Hanges genau entwickelt, sei im Detail nicht vorherzusagen, erklärt Ingenieurgeologe Simon Löw von der ETH Zürich. Im schlimmsten, aber eher unwahrscheinlich Fall, könnten die Gesteinsmassen mit einer Geschwindigkeit von bis zu 200 Kilometer pro Stunde auf das Dorf herunterschießen.
Update vom 12. Mai, 14.11 Uhr: Das Schweizer Dorf Brienz in Graubünden muss evakuiert werden, da ein Felssturz droht. Bis Freitag (12. Mai) 18 Uhr müssen alle Dorfbewohner ihre Häuser geräumt haben. Ursprünglich hieß es vonseiten der Behörden, dass das Betreten des Dorfes tagsüber auch nach der Evakuierung noch erlaubt sei. Da ein Felssturz jedoch immer wahrscheinlicher wird, gilt jetzt Phase Rot.

Konkret bedeutet das eine komplette Evakuierung auf unbestimmte Zeit. Nachdem die Bürger von Brienz ihre Häuser am Freitagabend verlassen haben, können sie für die nächsten Wochen oder sogar Monate nicht zurückkehren, wie der Srf berichtet. Für die Brienzer Bevölkerung ein Schock.
„Das war wie ein paar um die Ohren zu bekommen. Wie ein Tiefschlag. Im Unterbewussten weiß man, dass es kommt, man will es nicht wahrhaben, aber es kommt“, erzählt ein Bewohner im Gespräch mit der tagesschau. Er packe nur ungern. Aber er habe keine andere Wahl. „Meine Mutter hat mir gesagt, sie hat keine Angst vor den Steinen, sie hat Angst vor der Ungewissheit. Wie lange sind wir weg? Und sie will nicht aus dem Haus, was mir auch wehtut“, so der Brienzer weiter.
Schweiz fürchtet Felssturz und evakuiert komplette Gemeinde
Erstmeldung vom 10. Mai: Brienz – Im kleinen Dorf Brienz in der Gemeinde Albula/Alvra im Schweizer Kanton Graubünden steht eine der bislang größten Evakuierung des Landes an. Bis Freitag (12. Mai) um 18 Uhr müssen zahlreiche Menschen das Dorf verlassen und in provisorische Unterkünfte gebracht werden. Grund für die Großräumung ist ein drohender Felssturz.
Dorf | Brienz |
Gemeinde | Albula/Alvra |
Kanton | Graubünden |
Gemeldete Einwohner | 85 |
Felssturz in der Schweiz: Gemeinde informiert das Dorf über Evakuierung
Wie der Srf berichtet, könnten in den nächsten ein bis drei Wochen große Mengen Gestein von einem Hang abrutschen oder abbrechen. Der Gemeindeführungsstab hat daher die Phase Orange ausgerufen und die Brienzer Bevölkerung am Dienstagabend (9. Mai) über die Evakuierung informiert. „Uns ist bewusst, dass dieser Entscheid mit sehr vielen Emotionen verbunden ist“, so Gemeindepräsident Daniel Albertin laut der Neuen Zürichter Zeitung (NZZ) gegenüber des Dorfs.
Ab Freitagabend darf bis auf Weiteres niemand mehr in dem Dorf übernachten. Je nachdem, wie die Experten die Gefährdung am Samstag einschätzen, können die Bürger tagsüber nach Hause. Auch die Tiere in Brienz müssen angesichts des drohenden Felssturzes aus dem Dorf gebracht werden. Der Transport des Großviehs wie Rindern und Schweine werde von der Gemeinde organisiert, gab Pascal Porchet vom Amt für Militär und Zivilschutz Graubünden nach Angaben des Srf bekannt.
Evakuierung in der Schweiz wegen Felssturz: Über dem Dorf befindet sich Felsbereich „Insel“
Brienz ist nicht das erste Schweizer Dorf, in dem ein Felssturz droht – in dem Bergdorf Kandersteg muss bereits seit Jahren mit dem Abbruch des „Spitzen Steins“ gerechnet werden. Auch den Bewohnern von Brienz ist schon lange bekannt, dass der 1,9 Millionen Kubikmeter große Felsbereich namens „Insel“ oberhalb des Dorfes gefährlich ist und eine Räumung drohen könnte. Die „Insel“ bewegt sich unabhängig von dem Hang darunter und hat sich im vergangenen Jahr erheblich beschleunigt. Jetzt sei die Gefahr für einen Felssturz akut. Das habe auch was mit der Wetterprognose zu tun, sagte Simon Löw, emeritierter Professor für Ingenieurgeologie an der Universität ETH Zürich, im Schweizer Fernsehen. Bis Sonntag (14. Mai) seien jeden Tag Niederschläge vorhergesagt – das könne die Rutschgeschwindigkeit deutlich erhöhen.
Nach Angaben der NZZ gehen Fachleute von einer 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit aus, dass Felsbrocken auf das idyllische Dorf krachen. Nicht auszuschließen seien zudem Schuttströme sowie ein Bergrutsch, wie der Leiter des Frühwarndienstes, Stefan Schneider, erklärt. „Das ist etwas, wobei mit einer Geschwindigkeit von 100 bis 200 Kilometern in der Stunde der Hang herab donnert, in 30 Sekunden im Dorf ist und das Dorf zerstört“, so Schneider.
Felssturz in der Schweiz: Bei Stufe Rot gilt Evakuierung für das Dorf auch tagsüber
Sobald die Fachleute mit einem Abbrechen der Felsbrocken in drei bis zehn Tagen rechnen, muss die Phase Rot ausgerufen werden. Dann dürfen die Bewohner von Brienz das Dorf auch tagsüber nicht mehr betreten. Auch eine Sofort-Evakuierung sei denkbar, so Schneider. „Sollte sich die Lage vor Freitagabend unerwartet schneller verschlechtern als erwartet, muss der Notnagel ‚Evakuation akut‘ ausgelöst werden.“ In diesem Fall werden die Bewohner mit einem Alarmsignal zum sofortigen Verlassen des Dorfes aufgefordert. Aktuell sind 85 Personen in Brienz gemeldet. Während der Evakuierung stellt die Gemeinde ein Möbellager zur Verfügung und unterstützt bei der Wohnungssuche, so Christian Gartmann, Mediensprecher der Gemeinde.
Wie gefährlich herabstürzende Felsmassen sein können, hat ein tragischer Unfall Anfang des Jahres gezeigt: Zwei Arbeiter kamen bei einem Felssturz in Österreich ums Leben. (tt/dpa)