Playback beim ESC oder alles live? Regel-Details könnten viele überraschen: „Wusste ich auch nicht“
Wird beim ESC eigentlich Playback gesungen? Was ist live, was nicht? Das fragten sich auch 2023 wieder viele. Hier gibt es die Antworten.
Liverpool – Die Älteren werden sich erinnern: In grauer Vorzeit, als der Eurovision Song Contest noch als Grand Prix Eurovision de la Chanson Européenne firmierte, wurden viele Beiträge von einem Orchester begleitet. Dieses sucht man heutzutage vergebens. Und noch eine Frage stellen sich Jahr für Jahr wohl viele beim ESC: Was ist da eigentlich live und was ist Playback?
„Ist der Gesang beim ESC ohne Playback?“, fragte etwa ein Nutzer am ESC-Tag 2023 bei gutefrage.net und führte aus: „Ich meine, alle Länder hören sich gut an, nur bei dem Lied von Polen hat man manchmal das Gefühl, als wäre das mit Playback gesungen. Ich weiß jetzt nicht, ob das bei so einem Contest erlaubt ist.“
Auch bei Twitter gab es mehrere Fragen und Spekulationen, was da Playback ist und was nicht. Eine Nutzerin postete: „Jetzt muss ich mal ganz dumm fragen: Wird beim ESC live gesungen? — Bei der schwedischen Kandidatin sah mir das irgendwie nach (nicht ganz synchronem) Playback aus.“ Ein anderer User meinte: „Schaue zum ersten Mal ESC. Ist das immer alles Playback????“ Und schon in der Vergangenheit hieß es: „Für alle Zweifler, einfach mal in den Regeln des ESC nachsehen.“ Dann machen wir das doch.
ESC 2023: Hauptgesang live, „Lead Dubs“ auch, „Backing Vocals“ nicht
Für die detaillierte Antwort muss man tief in die Regularien eintauchen, die transparent auf der Webseite eurovision.tv nachzulesen sind. „Alle Songs werden live auf der Bühne mit einem aufgenommenen Backing-Track aufgeführt, der den nachstehend unter Absatz (iii) aufgeführten Anforderungen entspricht“, heißt es zu Beginn der Passage. Der oder die Leadsänger dürfen nur live auftreten. So weit, so klar: Der Mensch oder die Menschen vorne am Mikrofon singen also live.
Dann wird es kompliziert. Zum Glück fasst es die offizielle deutsche Seite eurovision.de etwas kompakter zusammen: „Der Titel muss live mit Halbplayback vorgetragen werden. Lead Dubs zur Verstärkung des Lead Vocals müssen ebenfalls live auf der Bühne oder hinter der Bühne gesungen werden. (Backing Vocals sind aber auf dem Backing Track erlaubt). Sämtliche Instrumente kommen vom Backing Track.“
ESC 2023: Der Trick mit den „Lead Dubs“
Falls das immer noch zu unverständlich ist, hier noch mal vereinfacht: Die Hauptstimmen müssen live gesungen sein. Eine Unterstützung der Hauptstimmen per „Lead Dubs“ muss ebenfalls live gesungen werden, auf der Bühne oder dahinter. Bei den „Lead Dubs“ darf also erlaubt getrickst werden – und hinter der Bühne jemand zur Unterstützung stehen und mitschmettern, der vielleicht besser singen kann als der eigentliche Interpret, um dessen Stimme mehr Wumms zu verleihen.

ESC 2023: Instrumente dürfen gar nicht live gespielt werden
„Backing Vocals“ können live gesungen werden oder vom Band kommen. Interessant: Instrumente dürfen gar nicht live gespielt werden. Heißt: Alles an Gitarren, Keyboards oder Drums kommt komplett aus der Konserve. Und beispielsweise die Bandkollegen von Deutschlands Lord-Of-The-Lost-Frontmann Chris Harms (der eindeutig live zu hören war, gemäß der Vorschrift) spielten keinen Ton live, sondern taten nur, als ob. „Das Anschließen von Instrumenten, um live auf der Bühne zu spielen, ist nicht gestattet“, stellt auch das offizielle Regelwerk klar. Dass kein Instrument live gespielt wird, sorgt wohl schon seit Jahren bei Zuschauern immer wieder für Erstaunen, etwa bei diesem Twitter-Nutzer schon 2010. „Wusste ich auch nicht“, schrieb er.
Gesang live mit erlaubter Unterstützung, Rest als Halbplayback vom Band! Dass es beim ESC blitzschnell gehen muss zwischen den einzelnen Auftritten, ist dafür wohl nur einer der Gründe. Ob daran auch ein bisschen der deutsche Flop 2023 lag? Schon im April schrieb ein Fan über Lord Of The Lost: „Sie sind live mit Instrumenten so viel besser als mit Halbplayback.“ Wer vom Halbplayback weiß, hat bei den ganzen Auftritten jedenfalls eine Portion Extra-Spaß, wie einer bei Twitter meinte: „Dieses Instrumenten-Pseudo-Benutzen ist irgendwie witzig.“ Wie hat unser Live-Tickerer den Wettbewerb erlebt? Hier gibt‘s die Antwort. (lin)