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Schulden oder Schwarzarbeit? Friseure stehen in Corona-Krise vor der Gewissensfrage - stiller Protest in München

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Friseurin Angie Filler-Würstle steht mit verschränkten Amen vor ihrem Salon.
Möchte endlich wieder arbeiten und Geld verdienen: Friseurin Angie Filler-Würstle ist in der Corona-Krise zum Nichtstun verdammt. © Tobias Hase/dpa

Seit anderthalb Monaten können Friseure ihrem Broterwerb nicht mehr nachgehen. Zu allem Überfluss bleiben die Hilfen der Politik aus. Das treibt so manchen in die Schwarzarbeit.

München - Es ist zum Haareraufen - seit Mitte Dezember sind alle Friseursalons geschlossen. Das ist nicht nur lästig für die verstrubbelten Kunden, sondern vor allem eine Katastrophe für die Friseure. Nun schlagen sie Alarm: Ohne Einkommen seien ihre Existenzen bedroht und vom Staat komme keine Hilfe an.

Mit einer stillen Aktion wollen auch die Münchner* Friseure auf ihre Notsituation aufmerksam machen: „Wir lassen das Licht an“, hieß es von Freitag an 24 Stunden lang. In den geschlossenen Salons brennen nun jede Woche die Lichter.

Friseure in der Corona-Krise: Öffnung war zwischenzeitlich nur unter kostenspieligen Maßnahmen möglich

„Die Situation wird immer dramatischer“, sagt Christian Kaiser, Obermeister der Münchner Friseurinnung. Letztes Jahr zunächst der erste lange Lockdown, dann gab es zwar eine Zeit der Öffnung, aber unter strengen, für die Friseure kostenspieligen Hygienemaßnahmen. „Ich hatte letztes Jahr auch keine Hochzeits- oder Wiesnfrisuren, es gab keine Bälle oder Feiern, für die die Leute aufwändige Frisuren brauchten.“

Und jetzt wieder der Lockdown*. 100 Prozent Ausgaben für Miete und andere Fixkosten, 0 Prozent Einkommen - in einer ohnehin nicht einkommensträchtigen Branche. „Es gibt Kollegen, die mittlerweile an ihre Rentenersparnisse gehen, oder die kurz vor der Rente noch Schulden aufnehmen müssen“, so Kaiser. Das Kurzarbeitergeld sei noch nicht angekommen, Überbrückungshilfen konnten noch nicht beantragt werden. Die Folge: Schwarzarbeit boomt!

Video: Polizei sprengt illegal geöffneten Friseursalon

Friseure in der Corona-Krise: Manche(r) wird in die Schwarzarbeit getrieben

„Wir sind in einem Gewissenskonflikt“, sagt etwa Angie Filler-Würstle (49) vom Friseursalon Scherenzauber im Westend. Immer wieder bekomme sie Anfragen, ob sie privat Termine machen* könne. Kürzlich habe ihr jemand 100 Euro für einen Haarschnitt geboten. Sie lehnte ab. Eine andere Friseurin, die anonym bleiben möchte, gibt zu, mehrmals wöchentlich schwarz zu frisieren. „Ich muss halt in die Illegalität - um zu überleben.“ Ihre Angestellte erhalte Kurzarbeitergeld, sie habe aber noch keine Hilfen vom Staat bekommen, 7000 Euro musste sie sich schon von ihrer Familie leihen.

Nun hoffen alle, dass sie wenigstens Mitte Februar wieder öffnen dürfen.

Corona-Krise: Alarm in Nagelstudios - Hunderte E-Mails an Politik und Handwerkskammern geschickt

Nicht nur Friseure, auch die Nagelstudios sind in einer Notsituation - darauf weist Martina Völkl vom Verband der Nageldesigner in einem Brandbrief hin. Hunderte E-Mails habe sie bereits an Politik und Handwerkskammern geschrieben. Hygienekonzepte seien auf die Beine gestellt worden, „aber das interessiert keinen“, sagt Völkl, die ein Nagelstudio in Haar betreibt. Derzeit gebe es 65.000 Nagelpflegestudios in Deutschland - dies sei laut Völkl „die vergessene Branche“. (ast) *tz.de und merkur.de sind Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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