Wie gefährlich sind Vorerkrankungen? Münchner Mediziner über Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus
Die Zahl der Sars-CoV-2-Infizierten in Deutschland steigt weiterhin. Münchner Medziner klären auf, bei welchen Vorerkrankungen erhöhte Vorsicht geboten ist.
- Die Zahl der Sars-CoV-2*-Infizierten in Deutschland steigt weiterhin.
- Mehr als 900 Menschen haben sich mit dem neuartigen Coronavirus infiziert.
- Münchner Mediziner klären auf, bei welchen Vorerkrankungen erhöhte Vorsicht geboten ist.
München - Vom harmlosen Schnupfen bis zum Tod – die Lungenerkrankung Covid-19 kann höchst unterschiedlich verlaufen. Sicher sind sich die Experten nur bei einer Prognose: Die Erreger vom Typ SARS-CoV-2 werden sich weiter ausbreiten. Virologen wiederholen gebetsmühlenartig die ermutigende Nachricht, dass etwa 80 bis 85 Prozent der Erkrankungen vergleichsweise milde Symptome verursachen – ähnlich eines grippalen Infekts. 15 bis 20 Prozent der Patienten landen allerdings im Krankenhaus. Als besonders gefährdet gelten ältere Patienten mit einem geschwächten Immunsystem und Vorerkrankungen. Aber welche Vorerkrankung ist wie schlimm?
Coronavirus: Wie gefährlich sind Vorerkrankungen am Herzen?
Erhöhte Vorsicht ja, aber bitte keine übertriebene Angst – die Deutsche Herzstiftung warnt insbesondere Herzpatienten davor, in Panik zu verfallen. Vorstandschef Professor Dr. Dietrich Andresen: „Es ist zwar nicht wegzudiskutieren, dass Menschen mit einem geschwächten Herz-Kreislauf-System ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben, aber man sollte sich in diese Gedanken nicht hineinsteigern.“ Zumal große Aufregung dem Herz schaden und schlimmstenfalls sogar einen Herzinfarkt auslösen könne, berichtet der erfahrene Kardiologe und Notfallmediziner.
Sinnvoll sei es dagegen, sich auch jetzt noch – am Ende der Grippesaison – gegen Influenza und gegen Pneumokokken impfen zu lassen, um eine Doppelinfektion mit Grippe- und Coronaviren zu vermeiden. Ausnahme: Wenn man bereits erkältet ist, sollte man mit einer Impfung noch warten, um den geschwächten Organismus nicht zu stark zu belasten. „Wie riskant eine Corona-Ansteckung mit Herzleiden werden kann, ist von Fall zu Fall unterschiedlich“, betont Prof. Andresen.
Coronavirus und bestimmte Herzerkrankungen - wie gefährlich ist die Kombination?
Der Herzspezialist erläutert einige allgemeine Fakten und Hintergründe zu bestimmten Erkrankungen, die bei der persönlichen Risiko-Einschätzung helfen.
• Herzschwäche: Patienten mit dieser Erkrankung sollten – wie bereits zum Schutz gegen Influenza – besonders streng auf die Einhaltung der Hygieneregeln achten und Menschenansammlungen und vor allem nahen Körperkontakt meiden. Der Hintergrund: „Jede Infektion ist für das Herz-Kreislaufsystem eine große Belastung“, erklärt Prof. Andresen. „Diese Zusatzarbeit kann einen geschwächten Herzmuskel überfordern. Gerade vielen älteren Menschen fehlen zudem die Kraftreserven, um dieser extremen Belastung etwas entgegenzusetzen.“
• Koronare Herzkrankheit (KHK): Auch bei dieser Erkrankung der Herzkranzgefäße (Fachbegriff Koronarien) ist erhöhte Vorsicht geboten. „Man kann sich die Koronarien vorstellen wie Benzinleitungen, die den Herzmuskel mit Treibstoff, nämlich Sauerstoff, versorgen“, erläutert Andresen. „Wenn diese Benzinleitungen eingeengt sind, wird der Herzmuskel unterversorgt – und es entsteht dasselbe Problem wie bei einer Herzschwäche. Die Organe bekommen zu wenig Sauerstoff – und im Extremfall, wenn sich ein Herzkranzgefäß verschließt, führt dieser Gefäß-GAU zu einem Herzinfarkt.“
• Vorhofflimmern: Etwa jeder dritte Mensch entwickelt im Laufe seines Lebens diese Erkrankung – dabei handelt es sich um chaotische Extraschläge des Herzens. Die betroffenen Patienten haben zwar ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, das in der Regel mit blutverdünnenden Medikamenten wie ASS, Marcumar oder Xarelto in Schach gehalten wird. Doch eine außergewöhnliche Einschränkung der Herzleistung verursacht Vorhofflimmern nicht. „Sie sinkt in der Regel um höchstens zehn bis 15 Prozent“, weiß Prof. Andresen. „Durch diese vergleichsweise geringe Leistungsminderung wird das Komplikationsrisiko im Falle einer Corona-Infektion nicht nennenswert erhöht.“
• Bluthochdruck: Diese Volkskrankheit ist auch im Zusammenhang mit Corona nicht zu unterschätzen. Hypertonie, wie Mediziner sagen, ist die häufigste Grunderkrankung für eine Herzschwäche. „Deshalb sollten Bluthochdruck-Patienten in Zeiten von Corona ganz besonders darauf achten, dass ihr Blutdruck gut eingestellt ist. Dazu ist es sehr wichtig, die Medikamente auch wirklich exakt wie verordnet einzunehmen und die Dosierung nicht auf eigene Faust zu verändern“, betont Prof. Andresen.
• Herzmuskelentzündungen: Diese können zwar durch Viren verursacht werden und schwerste Schäden anrichten, unter anderem eine akute Herzschwäche. „Aber bisher ist nicht belegt, dass das Coronavirus solche sogenannten Myokardien verursacht“, berichtet Prof. Andresen.
Coronavirus: Wie hoch ist das Risiko für Krebspatienten
„Es gibt bisher keine Berichte über eine erhöhte Erkrankungsrate bei Krebspatienten“, teilt die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie mit. Allerdings nennt sie besondere Risikogruppen. Dazu zählen unter anderem Patienten mit Leukämie oder Lymphomen, Leukozytopenie (niedrige Zahl weißer Blutkörperchen), niedrigen Immunglobulinwerten, langandauernder Immunsuppression, etwa bei einer Antikörpertherapie, sowie Patienten, die eine Stammzelltransplantation erhalten haben.
Coronavirus: Besteht eine erhöhte Gefahr für Menschen mit Diabetes?
„Da die Viruserkrankung in den meisten Fällen mild verläuft, sehen wir bislang auch für Menschen mit Diabetes nicht mehr Gefahr, als bei einem herkömmlichen Grippevirus“, erklärt die Präsidentin der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG), Professor Dr. Monika Kellerer. Sie empfiehlt Menschen mit Diabetes eine stabile Blutzuckereinstellung. Dadurch werde das Infektionsrisiko minimiert. Patienten mit diabetischen Begleit- und Folgeerkrankungen an Organen wie Herz, Nieren oder Leber sollten hohe Ansteckungsgefahren – beispielsweise große Menschenansammlungen – verstärkt meiden.
Auch für den Fall, dass sie sich tatsächlich mit den Coronaviren anstecken, können und sollten sich Diabetes-Patienten wappnen. „Für den Krankheitsverlauf im Fall einer Infektion ist eine gute Blutzuckereinstellung äußerst hilfreich“, erläutert die DDG. „Wir gehen davon aus, dass man mit einem ausgeglichenen Stoffwechsel das Risiko für Komplikationen reduzieren kann.“
Coronavirus: Sind Lungenkrankheiten ein Risikofaktor?
COPD, Asthma, Lungenfibrose, Sarkoidose und andere chronische Lungenerkrankungen: „Bei solchen Erkrankungen ist die lokale Abwehr in der Lunge geschwächt“, erklärt Professor Dr. Jürgen Behr, Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik V am Klinikum der Universität München und Ärztlicher Direktor der Asklepios-Fachkliniken in Gauting. Genauer gesagt sei die Barrierefunktion der Bronchien eingeschränkt. „Dadurch können sich Erreger in der Lunge leichter einnisten und im Körper verbreiten“, erläutert Professor Behr.
Das größte Problem: Wenn die Lunge vorgeschädigt ist, dann steigt das Risko für eine Lungenentzündung oder sogar für ein akutes Lungenversagen massiv. Letzteres ist besonders gefährlich. „40 bis 50 Prozent überleben diesen Notfall leider nicht“, weiß Professor Behr. Wer regelmäßig zur Zigarette greift, der hat ein höheres Risiko, dass die Erkrankung schwerer verläuft. „Raucher scheinen mehr gefährdet zu sein als Nichtraucher“, bestätigt Prof. Behr.
Coronavirus: Erhöht sich das Risiko bei Schlaganfall-Patienten?
Patienten, die infolge eines Schlaganfalls an Bewegungseinschränkungen leiden oder gar bettlägerig sind, haben ein erhöhtes Komplikationsrisiko nach einer Corona-Infektion. „Unter anderem deshalb, weil aufgrund der eingeschränkten Mobilität die Belüftung ihrer Lunge schlechter funktioniert“, erklärt der Internist Dr. Karlheinz Zeilberger.
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