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Münchens Corona-Studie: Unser Redakteur darf als Proband teilnehmen - hier schildert er besonderen Besuch

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Von: Andreas Thieme

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Tut nur einmal kurz weh: Student Tim (l.) zapft ein bisschen Blut von tz-Redakteur Andreas Thieme ab.
Tut nur einmal kurz weh: Student Tim (l.) zapft ein bisschen Blut von tz-Redakteur Andreas Thieme ab. © Jantz

Wie gefährlich das Coronavirus wirklich ist, lässt sich nur anhand der Dunkelziffer der Infizierten erkennen. In München findet deshalb nun eine Studie statt - unser Redakteur nimmt als Proband teil.

München - Mehr als 5500 Münchner haben sich bereits mit dem Coronavirus infiziert, die Landeshauptstadt ist stark betroffen von der Pandemie. Doch diese Zahl benennt nur die offiziell gemeldeten Infektionen. Wie viele Menschen tatsächlich erkrankt sind, ist unklar. 

Eine einzigartige Studie des Tropeninstituts am LMU Klinikum München will das nun herausfinden und die Dunkelziffer ermitteln: Prospektive COVID-19-Kohorte München („KoCo19“) nennt sich die wissenschaftliche Untersuchungsreihe, zu der 3000 Haushalte per Zufallsprinzip ausgewählt wurden. Unser Redakteur Andreas Thieme (36) gehört dazu - und hat teilgenommen. Im großem tz-Report beschreibt er seine Erfahrungen.

Corona-Krise in München: tz-Redakteur darf an Studie teilnehmen

Kurz nach 10 Uhr klingelt es an meiner Wohnungstür. Es ist Montagmorgen und das Klinikpersonal besucht mich in Neuhausen. Ärztin Dr. Verena Thiel trägt eine FFP-Schutzmaske, Handschuhe und blaue Klinikkleidung. Zwei Medizinstudenten begleiten sie. Was sofort auffällt: Sie halten Abstand zu mir. Mindestens zwei Meter. Auch ich muss einen Mund-Nasen-Schutz tragen - zum ersten Mal. Bisher habe ich darauf vertraut, dass Händewaschen reicht, um sich nicht anzustecken. Doch das ändert sich für mich jetzt.

Wir gehen ins Arbeitszimmer. Student Julian beginnt mit der Aufklärung. Insgesamt eine halbe Stunde lang wird der Termin dauern, hatte er mir zuvor schon am Telefon gesagt. Vergangenen Freitag hatte ich einen Zettel im Briefkasten gefunden. Der Inhalt: Ich sei für die Studie ausgewählt worden - anschließend konnte ich mich telefonisch melden. 

Bitte recht freundlich: Proband Andreas Thieme (r.) begrüßt die höchst willkommenen Gäste um Ärztin Dr. Verena Thiel.
Bitte recht freundlich: Proband Andreas Thieme (r.) begrüßt die höchst willkommenen Gäste um Ärztin Dr. Verena Thiel. © Jantz

Corona-Krise in München: Test kann jederzeit abgebrochen werden

„Die Teilnahme ist freiwillig und kann jederzeit abgebrochen werden“, erklärt Julian. Er gibt mir mehrere Zettel, die ich lesen, ausfüllen und unterschreiben muss. Zum Beispiel die Einverständniserklärung: Ich willige ein, dass mir Blut abgenommen wird. Ziel ist, zu bestimmen, ob ich bereits Antikörper gegen das neuartige Coronavirus (SARS-CoV2) gebildet habe. Dann nämlich hätte ich bereits eine Infektion durchgemacht, ohne es zu merken. So also soll die Dunkelziffer ermittelt werden.

Mein Blut wird später eingehend analysiert - etwa auf Entzündungsparameter, Immunbotenstoffe und meine DNA. „Wir versuchen herauszufinden, wie sich das Virus in der Bevölkerung verbreitet und wie häufig eine Infektion ohne Symptome ist“, erklärt mir Ärztin Verena Thiel. Sie überwacht die Durchführung, die Studenten vom KoCo19-Team des Münchner Tropeninstituts sind alle speziell geschult. Kein Grund zur Sorge also.

Corona-Krise in München: Student trägt bei Blutabnahme Schutzbrille und Schutzmaske

Doch einen kleinen Pieks muss ich über mich ergehen lassen: Student Tim zapft mir Blut ab. „Nur etwa drei Milliliter.“ Er hat mittlerweile spezielle Schutzkleidung angezogen: Über seinem grünen Klinik-Hemd ist eine Art Umhang, zudem trägt er Schutzbrille, Schutzmaske und Handschuhe. Medizinische Vollmontur - ein Anblick, den ich nur aus dem Fernsehen kenne. Von Intensivstationen, wo Menschen ums Überleben kämpfen. Mir selbst ging es bislang zum Glück gut.

Doch jetzt ist Corona ganz nah: Die Mediziner verstauen das Röhrchen mit meinem Blut in Spezialverpackungen, alles wird einzeln desinfiziert, sie haben sogar eigene Klappstühle mitgebracht - und halten auch Abstand untereinander. Richtige Profis.

Kurze Beratung: Student Julian (l.) klärt Andreas Thieme über das Prozedere auf.
Kurze Beratung: Student Julian (l.) klärt Andreas Thieme über das Prozedere auf. © Jantz

Corona-Krise in München: Tagebuch führen und Kontakte eintragen

Nach einer halben Stunde sind wir fertig. Ich habe jetzt eine eigene Identifikationsnummer: Mit dieser muss ich in den nächsten Wochen ein kurzes Tagebuch führen und notieren, ob bei mir Symptome aufgetreten sind und mit wem ich Kontakt hatte. Eintragen kann ich das im Internet.

In einigen Wochen steht ein Folgebesuch der Mediziner an, die wieder Blut abnehmen. Zudem wird die Befragung per Web-App kontinuierlich fortgeführt. Insgesamt dauert die Studie zwölf Monate. Dann haben wir die Pandemie hoffentlich im Griff. Und vielleicht konnte ich sogar einen kleinen Teil dazu beitragen.

Infos zur Studie

Wie verbreitet ist das neuartige Coronavirus tatsächlich in München? Das versucht das Tropeninstitut am LMU Klinikum mit seiner Antikörper-Studie herauszufinden. 3000 repräsentative Haushalte werden dafür in ganz München ausgewählt - bewerben kann man sich nicht. Zwischen Anfang April und Ende Mai werden die Teilnehmer in verschiedenen Zeitabständen und über mehrere Monate hinweg besucht, um ihren Infektionsstatus zu untersuchen und weitere Gesundheitsdaten zu sammeln.

Das Ziel: Wie wirksam aktuelle Maßnahmen - wie etwa der Verzicht auf soziale Kontakte - sind, soll mit Hilfe der Studie beurteilt werden können. Mithilfe der Daten können die Münchner Wissenschaftler die Corona-Dunkelziffer bestimmen und fundierte Empfehlungen an die Regierung weitergeben. Das Risiko für Teilnehmer ist sehr gering. Es entstehen sogar wichtige Vorteile: Wer ausgewählt wird und mitmacht, kann sich im Falle einer möglichen Infektion oder wenn Symptome auftreten, am Tropeninstitut auf Corona testen zu lassen - und wird umgehend informiert. Weitere Informationen unter www.KoCo19.de.

Wo man sich in München testen lassen kann und wie das abläuft, erklären wir Ihnen in diesem Artikel. Was ist in der Stadt überhaupt noch erlaubt und was verboten? Und so sieht der Bußgeldkatalog aus.

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