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München im Lockdown: Hier appellieren die Händler an die Politik für baldige Öffnungen

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Frank Troch (59), Geschäftsführer von Hirmer in der Kaufingerstraße, steht vor dem Eingang seines Geschäfts.
Darf seine Türen seit Mitte Dezember nicht öffnen: Frank Troch ist Geschäftsführer von Hirmer in der Kaufingerstraße. © Marcus Schlaf

Seit knapp zwei Monaten hat der Einzelhandel in Deutschland geschlossen. Daran wird sich wohl so schnell nichts ändern. Doch so einfach geben sich die Betroffenen nicht auf.

München - An diesem Mittwoch entscheiden Bund und Länder, wie es im Kampf gegen Corona* weitergeht. Trotz sinkender Inzidenzwerte wird es wohl keine großen Lockerungen* geben. Experten warnen, dass jede Lockerung gerade wegen der Mutationen eine große Gefahr birgt. Für viele Branchen hat eine Verlängerung des Lockdowns aber dramatische Folgen.

Einzelhändler hoffen auf die Politik, wieder öffnen zu dürfen. Eines ihrer Argumente: Eine Studie der Berufsgenossenschaft für Handel und Warenlogistik fand heraus, dass die Infektionsgefahr im Einzelhandel nicht erhöht ist. So erkrankten zwischen Mitte März und Ende Oktober 2020 nur etwa 0,6 Prozent der Beschäftigten an dem Virus - dagegen im gleichen Zeitraum etwa 0,8 Prozent der Allgemeinbevölkerung. Wir zeigen die flammenden Appelle der Einzelhändler.

München im Lockdown - Appelle der Einzelhändler: „Grenzt an ein Berufsverbot“

„Wir wünschen uns, dass wir wieder öffnen können“, sagt Frank Troch (59), Geschäftsführer von Hirmer in der Kaufingerstraße. Im Hinblick auf Hygiene und Abstandregeln sei ein Risiko der Kunden fast gänzlich auszuschließen, auch die aktuelle Studie zum Arbeitsschutz bestätige das. „Unsere Schutzmaßnahmen waren wirksam“, sagt Troch. „Dass trotz aller erfolgreichen Sicherheitsmaßnahmen nicht geöffnet werden durfte, grenzt an ein Berufsverbot“, kritisiert er. Denn natürlich musste auch Hirmer Verluste durch den Lockdown hinnehmen. „Wir hatten 57 Prozent weniger Kunden-Frequenz.“

„2020 hatten wir 120.000 Euro weniger Umsatz, meine Mutter hat zugeschossen und ich habe drei Mal auf mein Gehalt verzichtet. Nach den Schulen und Kitas müssen die Geschäfte mit Lockerungen dran sein. Die Politik riskiert ein Einzelhandelssterben! Wir müssen endlich wieder aufmachen. Unser Laden ist mit Sicherheit keine Gefahr, wir halten alles ein.“ Peter Büscher (60), Büscher Koffer & Lederwaren

München im Lockdown - Appelle der Einzelhändler: „Das kostet uns noch die Existenz“

„Wenn wir nicht bald aufmachen dürfen, kostet uns das noch die Existenz. Der Lockdown für all die kleinen Geschäfte ist nicht nachvollziehbar. Wir könnten den Kunden mehr Sicherheit bieten als jeder Supermarkt. Ich biete meinen Kunden seit ein paar Wochen Click & Collect an - doch das bringt lediglich 30 Prozent vom Normalumsatz.“ Anita Dähne, Inhaberin „Blumenhandwerk“, Freising

„Mein Studio sollte wieder öffnen, weil es schlicht und ergreifend die aktuelle Situation entzerrt. Derzeit kaufen alle in den größeren Drogeriemärkten ein. Doch dort sind mit Sicherheit mehr Kunden auf einem Fleck zu finden als bei mir im Geschäft. Zudem besteht die Gefahr, dass bei längeren Schließung meine Kunden allmählich abwandern.“ Karin Kunert (54), Kosmetikerin aus Wolfratshausen

München im Lockdown - Appelle der Einzelhändler: „Politischer Kurs gefährdet hochgradig Existenzen“

„Die Öffnung ist längst überfällig! Die Schließung des Einzelhandels hilft im Kampf gegen Corona nichts. Man muss ganz klar sagen: Dieser politische Kurs gefährdet hochgradig Existenzen. Wir haben ein Unternehmen, das es seit 65 Jahren gibt. Die Lage ist dramatisch. Uns hilft nur eins: aufsperren. Sonst sind die Innenstädte bald leer.“ Udo Siebzehnrübl, Intersport Siebzehnrübl

„Mein Appell an die Regierung: Schadensbegrenzung betreiben! Es gibt Untersuchungen, wonach das Infektionsrisiko im Einzelhandel geringer ist als bei der Allgemeinbevölkerung! Wir Einzelhändler leben schon fast vier Monate ohne Einkommen, die Hilfen reichen nicht aus. Wir leben gerade von Rücklagen und einem Kredit - es geht ans Eingemachte.“ Brigitte Meier (57), Geschäftsführerin von Ed Meier, München

München im Lockdown - Appelle der Einzelhändler: „Schlechte Kommunikation ärgert am meisten“

Autos verkaufen* per Click & Collect ist ein Tropfen auf den heißen Stein. Am meisten ärgert mich die schlechte Kommunikation in der Politik. Warum niemand versucht, die Regelungen verständnisvoll an den Mann zu bringen, ist mir unerklärlich.“ Autohaus-Inhaber Klaus Pusl (64) aus Schliersee-Neuhaus

„Die staatlichen Hilfen kommen nicht an. Den meisten Händlern steht das Wasser bis zum Hals. Die Uhr tickt. Es ist wie eine Zeitbombe. Wenn wir nicht öffnen, werden viele gar nie mehr öffnen. Die Verödung der Innenstädte wird eine Katastrophe!“ Marcus Vorwohlt, Geschäftsführer des Modehauses Rübsamen, Dachau

München im Lockdown - Appelle der Einzelhändler: „Kommen gerade aus der Insolvenz“

„Wir kommen gerade aus der Insolvenz. Die Filiale in der Sendlinger Straße haben wir leider verloren, aber das Stammhaus in der Herzogspitalstraße können wir halten. Dafür muss es aber auch weitergehen! März und April sind unsere wichtigsten Monate. Unsere große Stärke ist die persönliche Beratung - das hilft uns auch, gegen den Onlinehandel zu bestehen.“ Norbert Kaltenbach, Chef Jeans Kaltenbach

„Wir müssen öffnen so bald es geht! Gerade für kleine Läden wie uns ist die Situation gerade eine Katastrophe. Uns fehlt es nicht an Verständnis für die Situation. Aber wir haben jetzt schon 80.000 Euro Umsatzverluste und müssen uns bald Geld leihen, wenn wir nicht öffnen dürfen.“ Tobias Müller (42), Leder Baumann

„Ich möchte gerade nicht in der Haut der Politiker stecken. Aber es gibt Entscheidungen, die nicht nachvollziehbar sind. Etwa, dass Hilfsleistungen an Obergrenzen gebunden sind. Wenn man versucht, sich durch Click & Collect zu halten, rutscht man über die Grenze! Wenn wir Einzelhändler nicht öffnen dürfen, sind wir in unserem Dasein bedroht. Soweit ich beurteilen kann, sind unsere Hygienemaßnahmen erfolgreich, wir hatten keinen einzigen Infektionsfall im Haus. Und wenn wir schon geschlossen haben müssen, müssen zumindest die Staatshilfen in ausreichendem Umfang kommen.“ Flori Schuster (65), Senior-Chef Sporthaus Schuster

Flori Schuster (65), Senior-Chef Sporthaus Schuster, steht mit verschränkten Armen vor seinem Geschäft
Kritisiert „Entscheidungen, die nicht nachvollziehbar sind“: Flori Schuster ist Senior-Chef von Sporthaus Schuster. © Marcus Schlaf

München im Lockdown: Demo der Kosmetikerinnen

Auch die Kosmetikerinnen, Fußpfleger und Nageldesigner haben am Dienstag für mehr Perspektive im Lockdown demonstriert. „Die aktuelle Situation macht uns nicht nur finanziell, sondern auch emotional und seelisch mürbe“, sagte die Kosmetikerin Karin Ittlinger. Was viele vergessen: „Wir sind nicht nur dafür zuständig, dass sich Menschen wohlfühlen, wir begleiten auch medizinische Behandlungen, zum Beispiel mit Lymphdrainagen oder Hautbehandlungen.“ Zudem habe die Branche ohnehin hohe Hygienevorschriften. (cmy, thi, nap, zip, sh, hob, jek, stm) *tz.de ist Teil des bundesweiten Ippen-Digital-Redaktionsnetzwerks

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