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Studie zum Coronavirus legt nahe: Neben der Lunge werden weitere Organe geschädigt

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Von: Marcus Giebel

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Wie schlimm ist SARS-CoV-2 wirklich? Bislang konzentrierte sich die Forschung auf den Befall der Lunge.
Wie schlimm ist SARS-CoV-2 wirklich? Bislang konzentrierte sich die Forschung auf den Befall der Lunge. © AFP / KENZO TRIBOUILLARD

Das neuartige Coronavirus ist immer für Überraschungen gut. Nun lässt eine Studie den Schluss zu, dass nicht nur die Lunge in Mitleidenschaft gezogen wird.

München - Seit rund zwei Monaten ist das Coronavirus in aller Munde. Und es überrascht uns immer wieder aufs Neue. Das gilt auch für die Wissenschaftler. Denn SARS-CoV-2 ist längst noch nicht vollständig ausgeforscht*, viele Diagnosen müssen mit Fragezeichen versehen werden. Nun zeigt, sich das die durch das Virus hervorgerufene Krankheit Covid-19 mehr als eine reine Lungenkrankheit zu sein scheint.

Das legt eine Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) nahe. Denn das Virus befällt offenbar auch zahlreiche andere Organe im menschlichen Körper. Tobias Huber, Leiter der Studie, betont: „SARS-CoV-2, das neuartige Coronavirus, ist nicht nur ein Lungenvirus, sondern ein Multiorganvirus.“ Darauf würden die Untersuchungen von 27 an Covid-19 verstorbenen Patienten hinweisen. 

Coronavirus befällt verschiedene Organe: Auch Nieren, Herz oder Leber betroffen

Bei den Erkrankten seien die Nieren das nach der Lunge am zweithäufigsten befallene Organ gewesen. Laut Huber, Direktor der III. Medizinischen Klinik und Poliklinik am UKE, sei es „nicht selten (...) zum totalen Organausfall“ gekommen. Der Erreger sei zudem auch in Herz, Leber, Gehirn und Blut der Patienten nachgewiesen worden. Die höchsten Konzentrationen hätten sich aber in den Zellen der Atemwege gefunden.

Laut Huber sei der Befall der Nieren vermutlich die Ursache dafür, dass Covid-19-Erkrankte häufig Auffälligkeiten im Urin aufweisen. „Zudem könnte dies die extrem hohe Rate von bis zu 50 Prozent an akuten Nierenversagen bei Covid-19-Patienten erklären“, ergänzt der Leiter der Studie.

„SARS-CoV-2 ist ein Multiorganvirus“: Tobias Huber vom UKE leitet die Studie.
„SARS-CoV-2 ist ein Multiorganvirus“: Tobias Huber vom UKE leitet die Studie. © dpa / Christian Charisius

Coronavirus befällt verschiedene Organe: „Wir müssen alle Symptome im Blick haben“

Seine Schlussfolgerung: Der mögliche Befall weiterer Organe müsse bei der Behandlung von Corona-Patienten berücksichtigt werden. „Wir müssen alle Symptome* im Blick haben, nicht nur die Luftknappheit“, erklärt Huber. In weiteren Studien solle auch geklärt werden, inwieweit Veränderungen im Urin als Frühwarnsystem für schwere Covid-19-Verläufe dienen könnten.

In Berlin wurden bislang mindestens elf Covid-19-Tote obduziert. Das geht aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Gesundheit auf eine parlamentarische Anfrage des Linke-Abgeordneten Wolfgang Albers hervor. Als Todesursachen wurden demnach am häufigsten Blutvergiftung bei Lungenentzündungen (vier Fälle), Lungenversagen (drei Fälle) und Herzversagen (zwei Fälle) diagnostiziert. In allen elf Fällen habe das Pathologie-Institut der Charité festgestellt, dass die Todesursachen „kausal durch Covid-19 bedingt“ gewesen seien.

Coronavirus bei Kindern: Studie mit 6000 kranken und gesunden Probanden geplant

Die neue Studie C19.Child Hamburg soll aufzeigen, wie häufig sich Kinder und Jugendliche infizieren und wie anfällig sie für einen schweren Verlauf der Infektion sind. Neben dem Kinder-UKE beteiligen sich auch alle anderen Hamburger Kinderkliniken an dieser Untersuchung. Die Mediziner wollen Daten von rund 6000 gesunden und chronisch kranken Kindern und Jugendlichen mit und ohne Covid-19-Symptome einbeziehen.

Zugleich solle erforscht werden, „wie groß das Risiko einer Verbreitung des neuartigen Coronavirus durch asymptomatische Kinder ist und ob chronisch kranke Kinder ein größeres Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Infektion haben als gesunde Kinder“, erläutert die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendmedizin des UKE, Ania C. Muntau.

Warnt vor zu schnelle Schlüssen auf Krankheitsbilder bei Kindern: Ania C. Muntau stellt die Pläne für die Studie C19.Child Hamburg vor.
Warnt vor zu schnelle Schlüssen auf Krankheitsbilder bei Kindern: Ania C. Muntau stellt die Pläne für die Studie C19.Child Hamburg vor. © dpa / Christian Charisius

Coronavirus bei Kindern: Noch keine Evidenz zu Schwere oder Häufigkeit von Erkrankungen

Die in der Öffentlichkeit häufig mit großer Sicherheit vertretene Meinung, dass Kinder nicht oder nicht schwer an Covid-19 erkranken*, habe sie verwundert, sagt Muntau, „weil wir einfach keine Evidenz dazu haben“. Es sei bisher gar nicht umfassend untersucht worden. „Insofern ist das eine absolut offene Frage, ob Kinder und wie häufig und wie schwer sie erkranken.“

Kinder seien auch nur sehr restriktiv getestet worden. „Und möglicherweise haben wir dort eine sehr hohe Dunkelziffer und haben einen sehr hohen prozentualen Anteil von positiven Kindern ohne Symptome, die für das Geschehen in der Bevölkerung, die Ausbreitung der Pandemie, eine ganz wichtige Rolle spielen.“ Für Hamburg könne sie jedenfalls sagen: „Wir haben keine schwer erkrankten Fälle gesehen. Und ich glaube, die wären uns aufgefallen.“

Eine andere Studie legt nahe, dass ein einfacher Test schon Tage vorher vor einem schweren Krankheitsverlauf warnen kann. Gesundheitsminister Jens Spahn besteht auf der Einführung von Immunitätsausweisen, weil ansonsten Auslandsreisen in Gefahr wären.

Derweil präsentiert Innenminister Horst Seehofer die ersten konkreten Pläne zu Grenzöffnungen. Laut WHO ist es möglich, dass das Coronavirus nie ganz verschwinden wird. Die Pandemie reißt das größte Steuerloch in der Geschichte der Bundesrepublik.

Der Virologe Christian Drosten lobt den Corona-Kampf Deutschlands, zugleich äußert er aber auch eine Befürchtung.

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dpa, mg

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