In Deutschland lag der Anteil von Delta an den Neuinfektionen nach Daten des Robert Koch-Instituts zuletzt bei gut 6 Prozent (Woche vom 31. Mai bis 6. Juni) - eine Zunahme im Vergleich zu den Wochen davor, der Trend bei der absoluten Zahl der Nachweise ist jedoch rückläufig. Drosten zufolge wäre es aber ein „sehr schlechtes Signal“, sollte sich in den neuen RKI-Daten eine Verdopplung des Anteils im Wochentakt zeigen. Da sich die Werte stets auf einen Zeitpunkt vor etwa zwei Wochen beziehen, sei das im Nachhinein nicht mehr kontrollierbar; es drohe in der Folgewoche wieder eine Verdopplung.
Update vom 22. Juni, 12.30 Uhr: Während die Fallzahlen sinken und sich die Corona-Lage in Deutschland entspannt, warnen Experten vor der Delta-Variante des Virus. Nun hat sogar die Bundesärztekammer vor Urlaubsreisen in Gebiete gewarnt, in denen die hochansteckende Delta-Variante grassiert.
„Auf Reisen in Regionen, die von der Delta-Variante besonders betroffen sind, sollte verzichtet werden“, so Ärztepräsident Klaus Reinhardt gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Wenn Vorsicht und Verantwortung gewahrt seien, spreche dagegen nichts gegen Urlaubsreisen. Für viele Menschen sei der Urlaub nach den Belastungen der vergangen Monate wichtig für das seelische Gleichgewicht. Notwendig sei jedoch die Einhaltung der Hygieneregeln auch im Urlaubsort, mahnte Reinhardt. Besonders in Großbritannien verschärft sich die Corona-Lage durch die Delta-Variante. Auch die portugiesische Hauptstadt Lissabon hat mit der Virus-Mutante zu kämpfen.
Zu gen sogenannten Virusvariantengebieten zählen mit Stand vom 18. Juni 14 Ländern. Nicht in allen ist die Delta-Variante die vorherrschende Mutation. Zu den Gebieten zählen: Botsuana, Brasilien, Eswatini, Indien, Lesotho, Malawi, Mosambik, Namibia, Nepal, Sambia, Simbabwe Südafrika, Uruguay und Großbritannien.
Unsere Erstmeldung vom 22. Juni: Corona-Inzidenz auf Sinkflug - doch Immunologe nennt besorgniserregende Befürchtung zu Delta-Variante
Berlin - Die Corona-Fallzahlen sinken weiter. Auch am Dienstag (22. Juni) setzt sich der positive Trend fort. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 455 neue Infektionen und 77 Covid-19-Todesfälle. Zum Vergleich: Noch vor einer Woche hatte der Wert der Ansteckungen bei 652 gelegen, die Zahl der Toten lag bei 93. Auch die Sieben-Tage-Inzidenz ist weiter auf Sinkflug: Am Dienstagmorgen gab das RKI den bundesweiten Wert mit 8,0 an (Vortag: 8,6; Vorwoche: 15,5; Vormonat: 66,8).
Indes liegen nur noch zwei Regionen in Deutschland über einem Inzidenzwert von 35: Dem RKI-Dashboard zufolge weist die rheinland-pfälzische Stadt Zweibrücken mit 43,9 bundesweit den höchsten Wert auf. Die bayerische Stadt Schweinfurt (43,1) folgt kurz dahinter. Bei den Bundesländern liegen das Saarland und Baden-Württemberg (beide 11,9) an der Spitze. Die geringste Inzidenz weist Mecklenburg-Vorpommern mit einem Wert von 2,1 vor.
Die Besorgnis vor der Delta-Variante wird in Deutschland immer größer. Einem Experten zufolge könnte die befürchtete Ausbreitung der Corona-Mutation sogar das Erreichen von Herdenimmunität weiter erschweren. „Delta ist noch ein Stück ansteckender als die derzeit vorherrschende Virusvariante Alpha (B.1.17). Anhand der bisherigen, noch unsicheren Daten bräuchte man wohl rund 85 Prozent immune Menschen in der Bevölkerung, um die Ungeimpften indirekt mitzuschützen“, sagte Carsten Watzl gegenüber der dpa. Watzl ist Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie.
„Wir kommen also in Bereiche, die schwer zu erreichen sind, solange es für Kinder unter 12 Jahren keinen zugelassenen Impfstoff und für alle unter 18 Jahren keine allgemeine Impfempfehlung gibt. Es kann sein, dass Herdenimmunität nur für einzelne Einrichtungen wie Pflegeheime erreicht werden kann, aber nicht für das Gros der Bevölkerung“, sagte Watzl. Mangels Impfmöglichkeiten gelte auch für jüngere Schüler, dass bei ihnen zunächst keinerlei Gemeinschaftsschutz besteht.
Zuletzt hatten Experten und Politiker bereits vor der Delta-Variante gewarnt. Ein Minister schloss auch neue Kontaktbeschränkungen nicht aus.
Das Robert Koch-Institut (RKI) spricht seit längerem von einem Ziel von mehr als 80 Prozent immunen Menschen - nach vollständiger Impfung oder Infektion plus Impfung -, um weitgehend auf Maßnahmen und Regeln verzichten zu können. Zu Beginn der Pandemie gingen Experten noch von einem Anteil von rund zwei Dritteln aus, wegen des damals noch weniger infektiösen Erregers.
Auch das Erreichen einer Impfquote von 60 bis 70 Prozent sei nach Einschätzung des Immunologen Watzl schon eine große Hilfe für die Pandemiebekämpfung. „Die Hoffnung ist, dass es dann nur noch zu kleineren Ausbrüchen kommt, die keine Lockdown-Maßnahmen mehr erfordern.“ Menschen, die nicht geimpft werden können, die sich nicht immunisieren lassen wollen oder bei denen die Impfung etwa aus Gründen wie Alter oder Erkrankung nicht so gut anspricht, würden sich dann am ehesten infizieren. „Die gute Nachricht ist: Jeder, der vollständig geimpft ist, ist auch vor Delta geschützt“, sagte Watzl.
Wachsamkeit sei nun wichtig, damit keine neue Welle mit der Variante aufkommen könne, appellierte Watzl. Kontakte nach Ausbrüchen müssten genau nachverfolgt werden. Zwar beschreibt das Robert Koch-Institut für Anfang Juni einen wachsenden Anteil von Delta an den untersuchten positiven Corona-Proben in Deutschland, von 3,7 auf 6,2 Prozent. In absoluten Zahlen entwickelten sich die Delta-Fälle jedoch rückläufig, ebenso wie die Corona-Fälle insgesamt, so Watzl. „Das ist ein Unterschied im Vergleich zur Ausbreitung der in Großbritannien entdeckten Variante Alpha zu Jahresbeginn. Diese Variante hatte immer mehr zugelegt, was aber zunächst durch den insgesamt sinkenden Trend der Fallzahlen verdeckt blieb.“ (mbr/dpa)