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Kindergarten schwärzt Gesichter in Fotoalben - Eltern fassungslos: „Sehen aus wie Schwerverbrecher“

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Von: Stephanie Munk

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Ähnlich wie auf diesem Symbolfoto haben die Erzieherinnen einer Kita die Gesichter der Kinder geschwärzt.
Ähnlich wie auf diesem Symbolfoto haben die Erzieherinnen einer Kita die Gesichter der Kinder geschwärzt. © Henning Kaiser/dpa

Viele Eltern waren fassungslos, als ihre Kinder Erinnerungsalben aus dem Kindergarten mitbrachten: Die Kita hatte die Gesichter alle anderen Kinder geschwärzt. Das steckt dahinter.

Die Kindergarten-Zeit ist für viele mit glücklichen Erinnerungen verbunden. Wer hatte nicht schon mal ein Gruppenfoto seiner alten Kindergartengruppe in der Hand und erinnerte sich an längst vergessene, einstige Spielkameraden?

Einigen Kindergarten-Kindern aus dem Ort Dormagen Nordrhein-Westfalen bleibt diese Erfahrung verwehrt. Aufgrund der seit Mai 2018 geltenden neuen, europäischen Datenschutz-Verordnung (DSGVO) entschied sich der Kindergarten zu einem drastischen Schritt: In den Erinnerungsalben, das die Vorschulkinder vor ihrem Schuleintritt bekamen, wurden die Gesichter sämtlicher anderer Kinder und sogar der Erzieherinnen geschwärzt. 

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Kita schwärzt Fotos: „Ich hatte einen Kloß im Hals“

Auf den Fotos zu erkennen ist nur das jeweilige Kind, dem das Album gehört. Die Gesichter aller anderen Personen sind laut Berichten von bild.de und express.de mit dunklem Edding übermalt - sogar das von St. Martin beim Laternenumzug und das vom Heiligen Nikolaus bei einer Kindergartenfeier. Eine betroffene Mutter sagt zur Bild: „Das ist unfassbar. Als ich die Mappe zum ersten Mal durchblätterte, hatte ich einen Kloß im Hals! Alle Gesichter sind mit einem dicken Stift übermalt, in der anderen Gruppe wurden sogar Balken über die Augen gemacht. Die sehen aus wie Schwerverbrecher.“

Die Mutter ist nicht die einzige, die so denkt: Laut einem Bericht der Neuß-Grevenboicher Zeitung haben sich etliche Eltern bei der Leitung des Kindergartens beschwert. Die an die Vorschulkinder verteilten Alben hätten „null Erinnerungswert“, beklagt eine Mutter gegenüber dem Blatt. 

Nach Kritik reagiert die Kindergarten-Leitung

Nach der Kritik an den Erinnerungsalben will der Kindergarten künftig nicht mehr schwärzen. „Dass Mappen mit Balken nicht schön sind, darüber sind wir uns einig“, sagte Pfarrer Peter Stelten am Freitag der dpa. „Wir erarbeiten gerade ein Regelwerk, dass wir nächstes Jahr schöne Mappen haben, die den Datenschutzbestimmungen standhalten und dem Bedürfnis der Eltern nach schönen Erinnerungsritualen entgegenkommen. Da werden keine geschwärzten Gesichter erscheinen.“

Dazu müsse es aber vorher ein Einwilligungsverfahren der Eltern geben. „Wie das genau aussehen wird, das weiß ich im Moment noch nicht.“ Stelten warb um Verständnis für den Kindergarten: Dort habe man angesichts der neuen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) nur auf Nummer sicher gehen wollen.

Welchen Anforderungen die Einwilligungen entsprechen müssten, sei noch unklar, sagte Stelten: „Drei Juristen, sechs Meinungen! Das macht uns im Moment richtig Probleme: Was gilt jetzt und was nicht?“ So reiche es möglicherweise nicht aus, bei der Anmeldung eines Kindes eine generelle Erlaubnis für die Weitergabe von Fotos einzuholen. Denn dazu vertreten einige Juristen die Auffassung, die Eltern stünden in dieser Situation zu sehr unter Druck, weil sie unbedingt den Kindergartenplatz bekommen wollten.

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DSGVO sorgt für Verunsicherung

Die DSGVO ist am 25. Mai 2018 in Kraft getreten. Sie regelt, wie Unternehmen, Behörden oder Vereine mit personenbezogenen Daten umgehen müssen. Macht das wirklich ein Schwärzen der Kindergartenfotos nötig oder handelten die Verantwortlichen übertrieben? Express.de fragte beim Datenschutzbeauftragten von Nordrhein-Westfalen nach, allerdings ohne eindeutiges Ergebnis. Die DSGVO sei „sehr abstrakt“, sagte ein Sprecher: „Wir haben sehr viele Anfragen und manches ist nicht so einfach zu beantworten.“

Die wichtigsten EU-Regeln für den Datenschutz sowie wichtige Fragen und Antworten sind hier zusammengefasst.

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