Hier war Maria M. 18 Jahre eingesperrt

Caserta - Für die Monacos war es eine Frage der Ehre: Eine unverheiratete Frau, die ein Kind bekommt?
Nein, das passte nicht zu ihren Wertvorstellungen, auf die man aber auch heute noch des Öfteren im Süden Italiens trifft. Die Familie musste etwas unternehmen, doch eine Abtreibung kam für die strenggläubigen Katholiken nicht in in Frage…
Maria Monaco aus dem kampanischen Dorf Santa Maria Capua Vetere, 40 Kilometer nordlich von Neapel, hat unvorstellbares Grauen erlitten: 18 Jahre lang wurde sie von ihrer eigenen Familie gehalten wie Vieh. Die heute 47-Jährige hauste in einem fensterlosen Raum zwischen Müll, Kot und unerträglichem Gestank. Sie besaß nur ein Bett, einen Stuhl, etwas Licht und eine wackelige Kommode – mehr nicht. Kontakt zur Außenwelt hatte sie seit 1990 nicht mehr. Tageslicht, frische Luft – kannte sie nicht.
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Ja, Maria hatte ihre Strafe bekommen. Für ein einziges Verbrechen: Sie hatte einem unehelichen Sohn das Leben geschenkt und damit gegen den Ehrenkodex verstoßen. Der Bub ist heute 17 Jahre alt. Er geht ganz normal in seinem Heimatdorf zur Schule, wurde von Großmutter Annarosa (80), Tante Michelina (51) und Bruder Prisco (45) erzogen – den Kerkermeistern seiner Mutter! Vom leiblichen Vater des Jungen fehlt bis heute jede Spur.
Als die Carabinieri am vergangenen Freitag von einem anonymen Anrufer einen Hinweis bekommen – „Es riecht immer so streng aus dem Haus“ – können sie sich nicht vorstellen, welches Bild des Grauens sich ihnen später bieten wird. Denn von außen wirkt der Familiensitz der Monacos an der kleinen Landstraße recht freundlich. Die Wände sind hellgelb getüncht, auf einer Leine baumelt frisch gewaschene Wäsche.
Und dann dieser Anblick! Maria sitzt nur spärlich bekleidet auf ihrem völlig verdreckten Bett. Sie ist offensichtlich psychisch gestört und zunächst auch gar nicht in der Lage zu sprechen. Überall liegen Exkremente und Zigarettenkippen herum – bis zu drei Schachteln soll Maria am Tag geraucht haben. Die Toilette ist nicht nur völlig verdreckt, sie ist auch schon lange defekt. Das Essen wurde der 47-jährigen Frau vermutlich in einem metallenen Futternapf gebracht – als wäre sie ein Tier. Am Tag vor Marias Befreiung hatte es offenbar trockenes Brot und etwas Mozarella gegeben. Die Reste des spärlichen Mahls waren noch nicht einmal abgeräumt worden. Maria wird von der Polizei sofort in ein psychiatrisches Krankenhaus in Neapel gebracht. Wie es ihr im Moment geht, ist unklar.
Was die Polizeibeamten aber fast noch mehr schockiert als der Zustand Marias und ihrer Behausung ist die Reaktion der Familie: Mutter, Schwester und Bruder sind von den Einsatzkräften überrascht. Den Grund für das ganze Aufheben um Maria können sie nicht verstehen! Für sie sei es völlig normal, Maria für „die Schande“ des nichtehelich gezeugten Kindes wegzusperren, erzählt ein Polizeibeamter später.
Wegen ihres hohen Alters von 80 Jahren wurde Mutter Annarosa unter Hausarrest gestellt. Marias Bruder Prisco, der als Landwirt arbeitet, und seine Schwester Michelina, eine Grundschullehrerin, sitzen in Untersuchungshaft und sollen innerhalb der nächsten Tage verhört werden. Allen wird Freiheitsberaubung und Misshandlung zur Last gelegt. Vor allem das Verhalten von Michelina hat die Eltern vieler Kinder im Dorf in Aufruhr versetzt: „Wir können es nicht glauben: Die Lehrerin unserer Tochter ist eine Kerkermeisterin“, sagt ein Mutter.
Unklar ist im Moment noch, ob Maria bereits vor ihrem Martyrium psychische Störungen hatte oder ob sie diese in den langen Jahren der Einsamkeit erst entwickelt hat. Ungeheuerlich: Familie Monaco hatte Maria offiziell als psychisch krank gemeldet und sogar eine kleine Rente für sie kassiert! Die Polizei sucht nun nach dem Vater des Buben, von dem sie sich einiges an Klarheit zu Marias Vorgeschichte erhofft.
Inzwischen scheint sich außerdem ein furchtbares Detail zu bestätigen: Der 17-jährige Sohn Marias soll vom Schicksal seiner Mutter gewusst haben! Ein Polizeisprecher: „Er kannte ihr Gefängnis, aber er schämte sich und wusste nicht, was er tun sollte.“
Quelle: tz