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Corona-Impfschäden: Zahl der Betroffenen steigt – Lauterbach: „Nutzen überwiegt“

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Von: Sebastian Horsch

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Karl Lauterbach nimmt die Corona-Impfung in Schutz – „Nutzen überwiegt“
Karl Lauterbach nimmt die Corona-Impfung in Schutz – „Nutzen überwiegt“ © Carsten Koall/dpa

Die Corona-Impfung war ein Meilenstein im Kampf gegen die Pandemie. Doch es gibt auch Fälle, in denen die Spritze Menschen erst krank gemacht hat.

München – Der Ausschnitt ist ein gutes Jahr alt und wird in den sozialen Medien gerade tausendfach geteilt. Zu sehen ist Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), wie er in der ARD-Talkshow von Anne Will davon spricht, dass die Impfungen gegen das Coronavirus „mehr oder weniger nebenwirkungsfrei“ seien. Doch „mehr oder weniger“ heißt nicht völlig.

Es geht um Herzprobleme, Hirnfunktionsstörungen aber auch um Narben, Inkontinenz, Lähmungen und vereinzelt sogar Todesfälle. 6682 Menschen in Deutschland haben einem „SZ“-Bericht zufolge Anträge auf Anerkennung eines Impfschadens nach einer Corona-Impfung bei den zuständigen Behörden gestellt. Bundesweit wurden demnach mittlerweile 285 Anträge genehmigt und 2075 Anträge abgelehnt.

Coronavirus: Menschen fordern Versorgung nach Impfschäden

Die meisten der gestellten Anträge stammen aus Bayern. Allein im Freistaat haben von Beginn der Corona-Impfungen bis Wochenbeginn insgesamt 1629 Menschen einen Antrag auf Versorgung wegen eines Impfschadens gestellt, teilt das zuständige Zentrum Bayern Familie und Soziales unserer Zeitung mit. In 776 dieser Verfahren ist bereits eine Entscheidung gefallen. „Insgesamt wurden 79 Anträge anerkannt, 673 abgelehnt und 24 zurückgenommen, 853 Verfahren sind offen“, schreibt die Behörde. Zu Weihnachten waren es noch 55 anerkannte Fälle im Freistaat gewesen.

Dass die Zahlen zeitversetzt steigen, liegt neben der Dauer der Verfahren auch an den Voraussetzungen für eine Anerkennung. Denn um offiziell als Impfschaden gelten zu können, müssen Beschwerden erst einmal mindestens sechs Monate anhalten – und vom Arzt als mögliche Impfnebenwirkung erkannt werden.

Coronavirus: Lauterbach nimmt Impfung in Schutz – „Nutzen überwiegt“

Wichtig ist aber auch, die Zahlen in Relation zu stellen: Bundesweit wurden bisher rund 64 Millionen Menschen mindestens ein Mal gegen das Coronavirus geimpft – mehr als 192 Millionen Spritzen wurden dabei verabreicht. Aus Daten des Paul-Ehrlich-Instituts lasse sich schließen, dass schwere Impfschäden nach einer Corona-Impfung in einer Größenordnung von weniger als 1:10 000 auftreten, sagt Lauterbach. Es sei also nicht so, „dass das so häufig ist“. Zudem gehe es um eine Impfung, die vor sehr schwerer Krankheit schütze. Der SPD-Politiker bleibt dabei: „Der Nutzen überwiegt.“

Denen, in deren Fall hingegen der Schaden deutlich überwiegt, verspricht der Minister Hilfe. Er werde ein Programm auflegen, bei dem die Folgen von Long Covid und Impfschäden untersucht würden und die Versorgung der Betroffenen verbessert werde. Momentan befinde er sich dafür in Haushaltsverhandlungen.

Corona-Impfschäden: Betroffene ziehen vor Gericht

Einige Betroffene haben sich zudem entschieden, gegen den Hersteller des Impfstoffs vor Gericht zu ziehen. Ein Zivilprozess gegen Biontech hätte ursprünglich gestern in Frankfurt beginnen sollen – der Auftakt wurde aber auf den 28. April verschoben. Verhandelt wird dann über die Schadenersatzforderung einer Klägerin, die angibt, durch die Covid-19-Impfung einen Herzschaden davongetragen zu haben. Eine ähnliche Klage steht Ende März vor dem Landgericht Frankenthal in der Pfalz an. Die Klägerin behauptet, dass es nach der Impfung zu einer beidseitigen Lungenarterien-Embolie kam, und fordert Schadenersatz und Schmerzensgeld. Bereits seit September läuft zudem der Prozess um die Klage eines Mannes gegen Astra-Zeneca.

Viel zu befürchten haben die Impfsoff-Hersteller allerdings nicht. In den Verträgen, die sie während der Pandemie mit der EU geschlossen haben, haben sie sich weitgehend gegen eine möglichen Haftung abgesichert – für Schadenersatzforderungen müssten demnach also die EU-Regierungen geradestehen. Lauterbach findet trotzdem, dass man eine finanzielle Beteiligung der Pharma-Unternehmen erwarten könne – „denn die Gewinne sind ja exorbitant gewesen“. (Sebastian Horsch)

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