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„Historischer, einzigartiger Fund“ in Spanien: Experten wollen großen Schatz im Meer bergen

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Ein Taucher inspiziert ein Schiffswrack auf dem Meeresgrund.
Taucher checken das 2.600 Jahre alte Phönizier-Boot auf dem Meeresgrund vor der Küste von Murciain Spanien. © Carm/Jose A Moya

Seit 2.600 Jahren liegt ein komplett erhaltenes Boot auf dem Meeresgrund vor der Küste von Murcia im Süden von Spanien. Damit es beim nächsten Sturm nicht verloren geht, wird es nun geborgen.

Mazarrón - Vor 2.600 Jahren stürmt es an der Küste vor Mazarrón in der Region Murcia im Südosten von Spanien. Ein kleines, schwer beladenes Boot gerät in Seenot. Die Besatzung beschließt, die kleine Insel vor dem gleichnamigen Strand La Isla anzusteuern und Schutz zu suchen. Doch die Wellen sind zu hoch und schleudern das Holzboot in Richtung Strand, bis es kentert und sinkt. Nachdem der Sturm abgezogen ist, geht die Besatzung auf die Suche, um wenigstens die Ladung zu retten. Aber von dem Boot fehlt jede Spur. Dabei liegt es nur 50 Meter vor ihnen entfernt im Wasser auf Grund und befindet sich noch heute dort.

„Bei solchen Unfällen nahe dem Ufer begräbt das Meer ein Wrack sehr schnell unter dem Sand“, erklärt Carlos de Juan, Archäologe an der Universität von Valencia in Spanien. „In einer Stunde ist von dem Boot nichts mehr zu sehen.“ Ein Glück für die Wissenschaft heute. Denn vor dem Strand La Isla in Mazarrón – ein beliebter Familienstrand – liegt ein wahrer archäologischer Schatz, „ein historischer, einzigartiger Fund“, wie Carlos de Juan sagt.

Gesunkenes Boot vor Spaniens Küste: Das vollständigste antike Schiff, das je gefunden wurde

Das Boot stammt aus der Zeit der Phönizier, aus dem 6. Jahrhundert vor Christus, und ist vollständig erhalten vom Bug bis zum Heck dank der eineinhalb Meter dicken Sandschicht, die es wie ein natürlicher Puffer vor Stürmen geschützt hat, aber im Laufe der Zeit immer mehr schwindet. „Es gibt nur drei Boote im westlichen Mittelmeer, die ähnlich gut erhalten sind“, erklärt der Archäologe. „Aber nur das Boot von Mazarrón wird den Phöniziern zugeordnet, die anderen den Griechen.“ Es ist das vollständigste antike Schiff, das je gefunden wurde.

Das kleine, acht Meter lange und zwei Meter breite Holzboot ist über Spaniens Grenzen hinaus auch von so großem internationalen Interesse, weil es nur wenige archäologische Funde aus der Zeit der Phönizier gibt, berichtet costanachrichten.com. Das Schiff und seine Ladung gewähren einen Blick in das alltägliche Leben der Phönizier vor 2.600 Jahren. Das Wrack verrät viel über die antike Schifffahrt und die Bootsbautechniken. Die Phönizier galten als sehr versierte Seefahrer. Das haben sogar die konkurrierenden Griechen in ihren Schriften zugegeben.

2.600 Jahre altes Boot vor Spaniens Küste: Blei an Bord

Neben den Bleiblöcken wurden an Bord auch Amphoren aus Keramik gefunden, in denen Wein, Öl und Fischsoße gelagert wurden, ein Korb aus Pflanzenresten mit einem Griff aus Holz, eine Handmühle und Anker aus Holz und Blei in perfektem Zustand. Die Wissenschaft ist sich einig: Das Boot darf nicht verloren gehen und muss für die nächsten Generationen erhalten bleiben. Deshalb wird es jetzt in einem aufwendigen und langwierigen Prozess geborgen, an Land restauriert und im Nationalen Museum für Unterwasserarchäologie in Cartagena, Arqua, in Spanien ausgestellt, das dem Kulturministerium der Zentralregierung untersteht.

Jahrelang diskutierten Experten über das Schicksal des kleinen Bootes in Spanien: Soll es geborgen werden oder besser bleiben, wo es ist, auf dem Grund zwischen dem Strand und der Insel La Isla an der Küste von Murcia? Die Entscheidung ist in einer internationalen Expertenrunde mit Beteiligung der Unesco gefallen. „Es gibt keine andere Möglichkeit, als das Boot aus dem Wasser zu holen“, fasst Carlos de Juan zusammen, der die wissenschaftliche Leitung der Bergungsaktion inne hat.

2.600 Jahre altes Boot vor Spaniens Küste: Bergung unumgänglich

„Das Boot liegt an einer gefährlichen Stelle“, erklärt der Archäologe. Durch den Bauboom an der Küste in den 1970er Jahren haben sich die Meeresströmungen verändert und die schützende Sandschicht abgetragen. Gleichzeitig sammelte sich Sand unter dem Boot an und hob es an. Für die Wissenschaft ist das ein weiterer Glücksfall, denn sonst hätten Taucher das Boot 1994 nicht entdecken können. Um das Schiff vor den Strömungen und auch vor Plünderern zu bewahren, wurde es im Jahr 2000 durch ein spezielles Metallgehäuse geschützt.

Die Erosionen auf dem Meeresboden schreiten kontinuierlich voran. „Wir haben zwar keine Kristallkugel, aber wir wissen, dass alle 50, 70 oder 100 Jahre ein gewaltiges Sturmtief kommen kann, das das Boot nicht überleben würde“, sagt Carlos de Juan. Um die Vorgehensweise für die Bergung des Schiffes in Spanien zu erarbeiten, stiegen Taucher im Juni zum Wrack hinab. „Wir haben den Metallsarg geöffnet und festgestellt, dass das Schiff ganz geblieben ist“, sagt Carlos de Juan. „Es ist ganz normal, dass das 2.600 Jahre alte Holz voller Risse ist.“

2.600 Jahre altes Boot vor Spaniens Küste: Wie ein Puzzle, das neu zusammengesetzt wird

 Der Archäologe beschreibt das Boot als großes, zusammengesetztes Puzzle. „Unsere Aufgabe ist es, die größten Puzzleteile zu finden, die wir aus dem Wasser heben können.“ Das Schiff wird dann Stück für Stück aus dem Wasser geholt, wobei ein Teil zwei Meter lang und einen Meter breit sein kann. „Es liegen Bruchstücke durch die Risse vor. Wenn es nötig ist, führen wir kleine Operationen mit dem Skalpell durch, die so fein sind, dass sie nicht sichtbar sind.“ Carlos de Juan schätzt, dass es sich insgesamt um acht bis zehn Puzzleteile handeln könnte.

Unter das Bootsteil wird dann ein Gestell geschoben, das sich über dem Stück schließt. Das Ganze wird in horizontaler Lage aus dem Wasser gehoben. „Dabei müssen wir aufpassen, dass das Holz nicht trocknet. Dass es mit Luft in Berührung kommt, macht nichts aus.“ An der Wasseroberfläche wird es schnell inspiziert und dokumentiert. Es werden Skizzen angefertigt, Fotos gemacht und mit einem Laser gescannt. Das Puzzleteil wird mit einem Plastikfilm geschützt, um es feucht zu halten, während es in das Labor der Arqua in Cartagena in Spanien transportiert wird. Der erste Schritt im Labor besteht darin, das Bootsstück in einem Wasserbecken zu entsalzen. Das Holz wird jeweils gesäubert, Sand, Reste von Meerestieren und Kalk werden entfernt. „Das Verfahren ist kompliziert, aber anerkannt und hat sich bewährt“, sagt Experte Carlos de Juan.

Der Nachbau eines Phönizier-Boots mit Segel, Ruder und Ladung steht in einem Museum.
So sieht das 2.600 Jahre alte Phönizier-Boot aus, das vor der Küste von Murcia im Süden von Spanien auf dem Meeresboden liegt. © Sandra Gyurasits

2.600 Jahre altes Boot vor Spanien: Das Schifsswrack sagt mehr über Phönizier aus als andere Funde

Anschließend wird das Holz mit künstlichen Harzen imprägniert. „Im Meer zersetzt sich die Zellulose im Holz“, erklärt Carlos de Juan. „Dadurch entstehen die Risse und Lücken.“ Die werden mit Harz gefüllt und das behandelte Holz im Geriertrockner getrocknet. „Der Prozess dauert für jedes Stück ungefähr sechs Monate. Das ganze Boot wird wohl erst in vier bis fünf Jahren restauriert sein.“

Dass sich der Aufwand lohnt, daran wird wohl kein Wissenschaftler zweifeln. „Die Entdeckung eines gut erhaltenen antiken Schiffswracks ist etwas ganz Besonderes“, sagt Dirk Blaschta, Archäologe am Deutschen Archäologischen Institut in Madrid, „weil es viel mehr über die Phönizier aussagt als Fundstellen von Siedlungen“. Oft seien Siedlungen nur schwer zugänglich, weil sie von den Römern überbaut wurden. „Da muss man sich erst mal durch alles Römische graben, und das kann sich über Jahrzehnte hinziehen. Oft wurden die phönizischen Siedlungen in der römischen Zeit einfach weiter genutzt, nur die wenigsten lagen brach.“

Gesunkene Boote vor Murcias Küste: Zweites Phönizier-Schiff mit 50 Stoßzähnen an Bord

Das 2.600 Jahre alte Phönizier-Boot, das am Strand La Isla in Mazarrón in Spanien auf dem Meeresboden liegt und nun geborgen wird, ist nicht die einzige Hinterlassenschaft der Phönizier an der Küste der Region Murcia. Direkt neben dem Schiff fanden Taucher bereits 1988 in einer Tiefe von 2,50 Metern die Reste eines zweiten Wracks aus dieser Zeit. Einer dichten Schicht aus abgestorbenen Pflanzenresten, die sich über die Wrackteile legte, ist es zu verdanken, dass auch dieses Schiff auf dem Meeresgrund erhalten blieb, wenn auch nicht vollständig.

Die Überreste wurden 1993 aus dem Wasser geholt und restauriert und sind im Nationalen Museum für Unterwasserarchäologie in Cartagena in Spanien zu sehen. Regelmäßig finden im Sommer in Mazarrón am Strand La Isla Ausgrabungskampagnen statt. Die Teilnehmer holten bereits Tausende Keramikreste an Land, Amphoren, Töpfe, Teller, Vasen und Schmuck. Zu den kuriosen Fundstücken zählen ein verziertes Straußenei und ein Kettenanhänger in Form eines Phallus mit Flügeln. Das Schmuckstück aus dem ersten Jahrhundert nach Christus wurde allerdings den Römern zugeordnet.

Zweites antikes Boot vor Murcia: Elfenbein war mit phönizischen Buchstaben

Nur 50 Kilometer von dem Fundort entfernt, an der Küste von San Javier in der Region Murcia , befinden sich die Reste der Ladung eines weiteren Schiffs aus dem 7. Jahrhundert vor Christus. Das Boot, von dem heute nichts mehr übrig ist, hatte Rohstoffe und Luxusgüter wie Bronzemöbel und Keramik an Bord. Der wichtigste Teil bestand allerdings aus 50 Stoßzähnen von afrikanischen Elefanten.

„Das Elfenbein war mit phönizischen Buchstaben versehen, wahrscheinlich handelt es sich um Namen“, sagt Carlos de Juan, Archäologe an der Universität von Valencia in Spanien. Auch Zinnbarren befanden sich an Bord. „Das ist ein sehr geschätztes Mineral in der Epoche, von dem man annimmt, dass es zur Gründung eines heiligen Ortes benutzt wurde.“

Zweites Phönizier-Boot vor Murcia: An gefährlichem Felsen zerschellt

Dass die Struktur des Bootes nie gefunden wurde, ist wenig verwunderlich. Das Phönizier-Boot zerschellte wahrscheinlich an einer gefährlichen Felsformation, die aus einer Tiefe von 24 Metern an die Oberfläche ragte und an der schon viele Unfälle passierten. „Im 18. Jahrhundert brachte man eine Glocke an dem Felsen an, um die Schiffsführer zu warnen“, erzählt Carlos de Juan. Deshalb heißt die Stelle auch Bajo de la Campana (Unter der Glocke).

Viel geholfen hat das nicht. „Im Jahr 1960 beschloss das Militär, den Steinfels zu sprengen. Leider fielen die Steinbrocken ausgerechnet auf die Ausgrabungsstätte das Phönizier-Wracks“, bedauert Carlos de Juan. „In den 1960er Jahren hat man sich nicht darum gekümmert, ob da etwas Wertvolles auf dem Meeresboden lag.“ Entdeckt wurde die Elfenbein-Ladung im Jahr 1950 von Tauchern, die den Meeresboden vor der Küste von Murcia reinigten. 2007 begannen die Ausgrabung und Restaurierung der wertvollen Funde, die auch im Museum Arqua ausgestellt sind.

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