Sölden-Gletscher wird für Ski-Rennen zur Großbaustelle – „Ein Wahnsinn, so was zu tun“

Der Söldener Gletscher wird für das FIS-Skirennen im Oktober regelrecht umgebaut. Naturschützer sprechen von einer „Katastrophe“ für die Umwelt.
Sölden/Mittelberg – Man möchte es kaum glauben: Während nach den Föhntagen der vergangenen Tage die Badegäste ihre Runden in den warmen Badeseen der Alpen drehen, herrscht auf den österreichischen Gletschern reger Baubetrieb. Die Eröffnung der Skisaison steht in Tirol unmittelbar bevor. Die immer schneller schmelzenden Gletscher für den Skibetrieb in Schuss zu halten, verursacht aber einen immer größeren Aufwand und heftige Eingriffe in die Natur. Zum Entsetzen von Naturschützern.
In Sölden hat sich der Gletscher zurückgezogen – jetzt wird gebaggert und gesprengt
Etwa in Sölden wird das Präparieren des Rettenbachferners für den Skilauf immer schwieriger. Die Gletscherzunge hat sich wieder weiter zurückgezogen. Darum rückten seit April Bagger an, um Felsen und Eis für den FIS-Ski-Weltcup Ende Oktober beiseite zu räumen, damit die Piste befahrbar gemacht wird.
Offenbar fanden auch Sprengungen statt. Ursula Bittner, Sprecherin von Greenpeace Österreich, ist entsetzt: „Um die Fahrbahn für den Ski-Weltcup zu begradigen und ihre Breite beizubehalten, ist offensichtlich entschieden worden, den betroffenen Gletscherteil komplett zu entfernen und mit Schutt sowie Kunstschnee wieder aufzufüllen. Die aktuelle Naturzerstörung am Rettenbachgletscher ist eine Katastrophe.”
Bittner weiter: „In Zeiten der Klimakrise, die die Gletscherschmelze vorantreibt, ist es ein Wahnsinn, so was zu tun.“ Durch die Baggerarbeiten und Sprengungen greife man in das Ökosystem ein und gefährde die Artenvielfalt. „Wir verlieren den Gletscher, den kann man nicht wiederherstellen.“
Liftbetreiber spricht von ganz normalen Sanierungsarbeiten
Jakob Falkner von den Söldener Bergbahnen beteuert gegenüber der Nachrichtenagentur APA, es handle sich um normale Sanierungsarbeiten aufgrund des Rückgangs des Gletschers. Diese Arbeiten würden ausschließlich die bestehende Pistenfläche betreffen.
Greenpeace würde populistisch agieren und böswillig einen Missbrauch der Fakten betreiben, so Falkner: „Wir sind nicht die Verursacher dieser Situation. Wir sind kleine Spieler. Die Natur macht mit uns, was sie will.“ Die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Durchführung diverser Sanierungsmaßnahmen, auch in den Abschmelzbereichen innerhalb des Gletschergebietes, liege vor, teilte das Land Tirol mit.
Im Pitztal beginnt die Skisaison schon am kommenden Samstag (23. September)
Auch an der Wildspitze im benachbarten Pitztal herrscht auf über 3000 Metern Höhe hektische Betriebsamkeit: Unter weißen Plastikplanen versteckt sich der Rest des Schnees der vorigen Saison, der im Frühjahr zu Depots zusammengeschoben worden war. Jetzt wird das weiße Gold der Pitztaler wieder mit Pistenraupen an den Hängen ausgebreitet und gewalzt. Snowfarming heißt die Methode.

Am Samstag startet um sieben Uhr der Skibetrieb in Österreichs höchstgelegenem Skigebiet, wo man von 3440 Metern Höhe vorerst bis auf 2840 Meter abfahren kann. Von der Bergstation der Wildspitzbahn kann man dann auf zwei je zwei Kilometer langen Pisten zur Bergstation des Gletscherexpress abfahren.
Der Liftbetrieb wird wegen der Wärme um 13 Uhr eingestellt
Feierabend ist vorerst täglich schon um 13 Uhr. „Am Nachmittag wird der Schnee in der Sonne zu sulzig“, berichtet Bernhard Füruter von der Pitztaler Gletscherbahn. Die Entscheidung, die Piste herzurichten, sei kurzfristig erfolgt, berichtet Füruter. „Wir fangen oben im September an und arbeiten uns dann nach und nach ins Tal vor.“
Wer dieses Wochenende schon zum Skifahren ins Pitztal fährt? „Es sind vor allem Mannschaftstrainings, die da stattfinden“, so Füruter. Das Präparieren der Pisten werde aber von Jahr zu Jahr schwieriger. Früher konnte man sogar den ganzen Sommer im Pitztal Skilaufen. Füruter: „Das geht schon seit 30 Jahren nimmer.“
In Hintertux hat es gar keine Sommerskipause gegeben
Auch in den anderen Gletscherskigebieten Österreichs steht man in den Startlöchern: In Kauner- und Ötztal geht es eine Woche später los, im Stubaital am 6. Oktober und am Kitzsteinhorn am 14. Oktober. Am Hintertuxer Gletscher habe es gar keine Skipause im Sommer gegeben, heißt es dort.