Frau manipuliert Preisschilder im Supermarkt – Gericht verurteilt sie zu sieben Jahre Gefängnis
Mit subtilen Botschaften auf Preisschildern protestiert eine russische Künstlerin gegen den Krieg. Doch ihre Aktion bleibt nicht unbemerkt.
Sankt Petersburg – An einem durchschnittlichen Tag Ende März 2022 befindet sich Alexandra Skochilenko in einem Supermarkt in Sankt Petersburg – ein alltägliches Bild. Doch dann vollzieht die 33-Jährige eine Handlung, die ihr zum Verderben gereicht: Sie vertauscht Preisetiketten. Nicht aus Scherz, sondern als Ausdruck ihres Protests gegen die russische Regierung. Sie agiert dabei unauffällig und auf den ersten Blick ist nicht ersichtlich, was genau sie verändert hat. Der Preis für das jeweilige Produkt bleibt sichtbar. Nun aber prangen darüber zusätzliche Botschaften: Aussagen zum Ukraine-Krieg, wie beispielsweise „Rekordinflation durch Militäreinsatz“ oder „Stoppt den Krieg“.

Eine folgenschwere Protestaktion: Junge Russin sitzt seit über einem Jahr in Untersuchungshaft
Ihre Aktion bleibt nicht unentdeckt und ein Supermarktkunde informiert die Polizei über den Protest. Elf Tage später wird Skochilenko verhaftet. Seitdem befindet sich die junge Russin, die unter ihren Freunden als „Sasha” bekannt ist, in Untersuchungshaft. Ihr wird zur Last gelegt, bewusst Falschinformationen über die russische Armee verbreitet zu haben. Ein Vergehen, das mit bis zu 10 Jahren Gefängnis geahndet werden kann. In einigen Fällen kann die Strafe sogar bis zu 15 Jahre betragen. Seit Beginn des Ukraine-Kriegs werden in Russland laut der Menschenrechtsorganisation OVD-Info über 800 Menschen wegen kritischer Äußerungen gegen das Regime strafrechtlich verfolgt. Manche von ihnen, wie die Journalistin Marina Owsjannikowa, konnten fliehen und leben jetzt im Exil.

Seit ihrer Verhaftung setzen sich Freunde, Familie und Bekannte für Skochilenkos Freilassung ein. Insbesondere ihre Partnerin Sonya engagiert sich für ihre Freundin und besucht fast täglich das Gefängnis, wie sie in einem Interview mit dem Bayerischen Rundfunk berichtet. Auch die internationale Hilfsorganisation Amnesty International, die Anfang des Jahres durch ihre Kritik an der westlichen Doppelmoral in die Schlagzeilen geriet, macht auf das Schicksal der jungen Russin aufmerksam, die in Untersuchungshaft Gewalt ausgesetzt ist.
Skochilenko leidet im russischen Gefängnis unter unmenschlichen Bedingungen
Besonders beunruhigend für die Angehörigen ist Skochilenkos gesundheitlicher Zustand. Sie leidet an Zöliakie, einer Autoimmunerkrankung, die eine Glutenunverträglichkeit verursacht und ist daher auf eine spezielle Diät angewiesen. In Untersuchungshaft wurde jedoch keine Rücksicht darauf genommen. „Die Haftbedingungen sind menschenrechtswidrig, das ist ganz klar“, so Janine Uhlmannsiek von Amnesty Deutschlandfunk Kultur.
Am 13. Juni veranstaltete die Hilfsorganisation eine Mahnwache für die Angeklagte vor der russischen Botschaft in Berlin. Die Botschaft weigerte sich, die 26.000 Briefe, die Amnesty zur Unterstützung der Künstlerin erhalten hatte, entgegenzunehmen. Doch alle bisherigen Forderungen nach Freilassung blieben erfolglos: Am 16. November wurde die Künstlerin zu sieben Jahren Haft in einer Strafkolonie verurteilt. Der Fall erregte auch Aufmerksamkeit, da Skochilenko als Künstlerin bekannt und besonders bei der jüngeren russischen Bevölkerung beliebt ist. 2014 veröffentlichte sie eine autobiografische Graphic Novel über Depressionen, die dazu beitrug, die Krankheit in Russland zu entstigmatisieren und unter dem Titel „A Book About Depression“ sogar ins Englische übersetzt wurde.
Für diesen von der Redaktion geschriebenen Artikel wurde maschinelle Unterstützung genutzt. Der Artikel wurde vor Veröffentlichung von Redakteur Kilian Bäuml sorgfältig überprüft.