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Super-Zug soll Bahnreisen revolutionieren – mit 550 km/h durch Europa

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Das polnische Unternehmen Nevomo hat erstmals eine Magnetbahn über bestehende Gleise fahren lassen. Zukünftig sind so Geschwindigkeiten bis 550 km/h möglich.

Köln – Die sogenannte Hyperloop-Technologie bekommt immer mehr Aufmerksamkeit: Ähnlich wie bei einer Magnetschwebebahn werden die Züge dabei durch magnetische Kräfte in der Luft gehalten, fahren aber in luftleeren Röhren statt an der Oberfläche. Das polnische Unternehmen Nevomo greift das Hyperloop-Konzept auf, lässt die Sache mit der Röhre weg. Stattdessen sollen die schwebenden Hochgeschwindigkeitszüge sogar auf bereits bestehendem Schienennetz in ganz Europa fahren können. Dafür wurde jetzt eine erste große Hürde genommen.

Bis zu 550 km/h: Nevomo lässt erstmal Bahn über normalen Gleisen schweben

Eine Visualisierung der Passagier-Magnetschwebebahn von Nevomo.
Die Magnetschwebebahnen von Nevomo sollen auf ganz gewöhnlichen Schienen fahren können. © Nevomo

Die ICEs bilden derzeit die Speerspitze des Hochgeschwindigkeitsverkehrs der Deutschen Bahn. Bis zu 330 km/h erreichen sie – zumindest theoretisch. Denn die deutschen Gleisstrecken ermöglichen oft nur ein geringeres Tempo und selbst auf den Schnellstrecken ist derzeit bei 350 km/5 Schluss. Doch mit der Magnetbahn-Technik „MagRail“ von Nevomo könnten auch hierzulande in Zukunft Bahnen mit bis zu 550 km/h fahren.

Dass das tatsächlich geht, beweist nun erstmals ein erfolgreicher Test des polnischen Unternehmens. Bei Versuchen auf der Nevomo-Teststrecke in Nowa Sarzyna (Polen) gelang es der „MagRail“-Bahn über 700 Meter mit bis zu 135 km/h zu fahren. Den Großteil der Zeit, ohne die Schienen ein einziges Mal zu berühren, wie Nevomo mitteilte. Das Start-up bezeichnet dies als nichts Gerigeres als „eine bahnbrechende Errungenschaft, die einen Wendepunkt für die Eisenbahnindustrie darstellt“. Ihrer Meinung nach habe die MagRail-Technologie „Potenzial, den Schienenverkehr zu revolutionieren“. Damit habe man bewiesen, dass es möglich sei, das bestehende Schienennetz mit Linearmotor- und Magnetschwebevorrichtungen nachzurüsten.

„Zum ersten Mal in der Geschichte der Eisenbahn bewegt sich ein Schienenfahrzeug nicht auf den bestehenden Gleisen, sondern über sie, ohne Reibung. [...] Indem wir die bestehende Infrastruktur nutzen, bieten wir einen kosteneffizienten und umweltfreundlichen Ansatz zur Modernisierung des Schienenverkehrs“, sagt Przemek Ben Paczek, CEO und Mitbegründer von Nevomo. In der Vergangenheit erreichte ein besonderer ICE bereits eine Geschwindigkeit über 400 km/h, doch die Bahn wurde später eingestellt.

Schwebende Bahn soll zuerst für Güterzüge eingesetzt werden – doch Passagierreisen im Blick

Eine Visualisierung der Fracht-Magnetschwebebahn von Nevomo.
Zum Start möchte Nevomo seine Hyperloop-Technologie im Frachttransport einsetzen. © Nevomo

Nevomo ließ nach den erfolgreichen Tests verkünden, dass dies erst der Anfang sei. „Wir arbeiten bereits mit Branchenriesen wie Rete Ferroviaria Italiana, SNCF, Duisport und GATX zusammen, um verschiedene Anwendungen für MagRail zu definieren, und diese erfolgreichen Tests ebnen den Weg für vorkommerzielle Betriebspiloten“, sagt Sebastian Kaluza, Direktor für Produktentwicklung bei Nevomo. Somit haben sich vor allem italienische, französische und us-amerikanische Eisenbahnunternehmen aus dem Personentransport bereits in Stellung gebracht. Die erste kommerzielle Anwendung plant das polnische Unternehmen jedoch nicht im Passagier-, sondern Güterverkehr. Die erste Version des MagRail sei bereits für 2024 geplant. Bereits in wenigen Jahren fährt ein ebenfalls ziemlich futuristischer Zug durch Europa.

Ein Visualisierung der Passagier-Magnetschwebebahn von Nevomo.
Nevomo plant zukünftig neben Fracht- auch Personentransporte mit seiner Hylerloop-Technik durchzuführen. © Nevomo

Nevomo wurde 2017 als Hyper Poland gegründet. Eigentlich wollte das polnische Start-up an einem Hochgeschwindigkeits-Tunnelsystem nach Vorlage von Hyperloop forschen. Doch das ist nicht nur mit erheblichen Kosten, sondern auch großem Aufwand verbunden, da eine komplett neue Infrastruktur geschaffen werden muss. Deshalb schwenkte das Unternehmen auf die Integration der Magnetschwebebahnen auf bestehende Gleisnetze um. So entstand MagRail.

Abseits der Geschwindigkeit: Diese Vorteile bieten MagRail-Züge

Nach den erfolgreichen Tests macht Nevomo große Zukunftsversprechen. Mit MagRail-Zügen müsse nicht mehr nach festen Fahrplänen gefahren werden, stattdessen stünden die Bahnen den Reisenden in „variabler Kapazität“ zur Verfügung, schreibt das Unternehmen. Ähnlich wie bei U-Bahn-Systemen könnten sie sich der aktuellen Nachfrage in den Bahnhöfen anpassen. Denn die Waggons sollen sich selbstständig bewegen und die Anzahl der Wagen pro Zug einfach „on the fly“ anpassen können.

Laut Nevomo würde für den MagRail-Einsatz die Umrüstung ausgewählter Abschnitte oder ganzer Bahnstrecken ausreichen. Große Änderungen des aktuellen Schienennetzes wären also nicht nötig. Im Bestfall könnten Bahnreissende also bereits in wenigen Jahren mit Magnetbahnen durch Europa rasen. (os) Fair und unabhängig informiert, was in Köln, Düsseldorf und NRW passiert – hier unseren kostenlosen 24RHEIN-Newsletter abonnieren.

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