Schnellurteile zu Freibad-Vorfällen: „Wie soll man da seinen Anwalt engagieren können?“

Der designierte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann setzt ein erstes Zeichen - als Reaktion auf Gewalttaten in Freibädern fordert er eine umgehende Bestrafung der Täter. Ist diese Idee realistisch? Dazu ein Leserkommentar.
Frankfurt - „Wer mittags im Freibad Menschen angreift, muss abends vor dem Richter sitzen und abgeurteilt werden. Auch am Wochenende.“ Carsten Linnemann erwarte „ganz einfach“ die „Durchsetzung unserer Gesetze“.
Der Vorschlag stieß schnell bei vielen Bürgern auf Zuspruch, kurz darauf gab es aber Widerspruch von Juristen, die das Ganze als unrealistisch und populistisch bewerteten. IPPEN.MEDIA fasst Pro und Kontra zusammen:
Freibad-Vorstoß von Linnemann: Pro
+ Eine sofortige Verurteilung wirkt abschreckend
+ Nachfolgende Straftaten können verhindert werden
+ Frauen können sich sicherer in Freibäder fühlen
Schnellurteil-Forderung: Kontra
- Für Linnemanns Forderung müssten zahlreiche Richter in Bereitschaft stehen. Gerade an kleineren Amtsgerichten illusorisch
- Jeder Beschuldigte hat das Recht auf eine angemessene Verteidigung und auf einen Anwalt seiner Wahl
- Die Freibad-Täter sind überwiegend jung. Solange sie noch nicht 18 sind, gibt es keine beschleunigten Verfahren (§ 79 Abs. 2 JGG)
- Beschleunigte Verfahren setzen eine klare Beweislage voraus. Kaum möglich, wenn alle Beteiligten in Badekleidung sind und
deshalb durch Zeugen leicht verwechselt werden
- Täter, die aus der Anonymität einer Gruppe heraus handeln, sind kaum sicher zu überführen
- Verfahren, in denen es um schwerwiegende Gewalt- oder Sexualdelikte geht, müssen vorrangig vor Freibadprügeleien behandelt werden
Linnemann-Forderung kommt auch bei Grünenpublikum gut an
Doch wo ein Wille ist, sollte auch ein Weg sein, wie der Münchner Merkur kommentiert:
„Dass selbst drei Viertel der Grünenwähler Umfragen zufolge Linnemanns Vorschlag gut finden, zeigt das Bedürfnis nach einem Staat, der seine Bürgerinnen und Bürger schützt (dafür zahlen diese schließlich hohe Steuern) und Randale und Gewalt unterbindet, sei es im Berliner Freibad oder anderswo. Wenn es für beschleunigte Verfahren eine Ergänzung der gesetzlichen Grundlagen bedarf, dann bitte.“
Freibad-Täter - machen Sie mit und stimmen ab
Linnemans Vorschlag - dazu der Community-Kommentar des Tages
Leser Achim Schäfer sieht es differenziert:
Natürlich sollen Anzeigen und Strafverfahren schnellstmöglich bearbeitet werden, aber ein Beschuldigter hat in einem Rechtsstaat auch dann Rechte, wenn die Sachlage absolut eindeutig ist. Zum Beispiel das Recht auf anwaltliche Vertretung vor Gericht. Mittags eine Tat begehen, abends vor Gericht? Wie soll man da seinen Anwalt engagieren können? Zumal dieser sich ja auch noch in den Fall einlesen muss. Erforderlich ist allerdings, dass die Staatsanwaltschaften und die Polizei nicht nur mehr Personal bekommen, sondern auch eine bessere Ausstattung! Meine Partnerin und ich haben vor etlichen Wochen hier in Bremen einen Fall von IT-Kriminalität/Stalking angezeigt. Der aufnehmende Beamte hatte einen Laserdrucker neben seinem Schreibtisch, lief aber zum Ausdrucken irgendwo hin. Auf Nachfrage: „Ja, mein Drucker ist seit Wochen defekt, da kümmert sich niemand von der IT darum“. Ich sollte dann noch ein paar Unterlagen nachreichen und bot an, diese per Email als PDF zu schicken. Antwort: „Sorry, damit können wir leider immer noch nichts anfangen, wir brauchen das auf Papier“. Ein paar Tage später bekam ich dann noch einen Anruf vom bearbeitenden Beamten, jetzt ist seit ca. 6 Wochen „Funkstille“)
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