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Sohn hat Wutanfall und Papa entschuldigt sich ironisch bei allen, die kopfschüttelnd zusahen

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Von: Miriam Sahli-Fülbeck

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Der Kölner Markus Brandl sagt allen kopfschüttelnden Menschen „Sorry“, die den Wutanfall seines Sohnes erlebt haben. Seine Botschaft ist natürlich pure Ironie.
Der Kölner Markus Brandl sagt allen kopfschüttelnden Menschen „Sorry“, die den Wutanfall seines Sohnes erlebt haben. Seine Botschaft ist natürlich pure Ironie. © Facebook/Markus Brandl

Manche (kinderlosen) Menschen meinen, sich über andere in Erziehungsfragen erheben zu müssen. Papa Markus Brandl aus Leverkusen wehrt sich auf seine Weise dagegen: mit einem extra langen ironischen Entschuldigungsschreiben.

Leverkusen - Markus Brandl ärgert sich über Passanten, die kopfschüttelnd stehen geblieben sind, als sein Sohn vor einem Aldi in Leverkusen einen Wutanfall bekam. Seinen Ärger über die Reaktionen der umstehenden Leute verpackt Brandl als ironisches Entschuldigungsschreiben, das er am Dienstagabend auf seiner Facebook-Nachricht veröffentlicht hat. Bis Mittwochnachmittag wurde der Post mehr als 25.000 Mal geteilt und 37.000 Mal geliked (Stand: 13. Juni 2018, 14.50 Uhr). Wir dürfen den Post als Gastbeitrag veröffentlichen. 

Lesen Sie die „Entschuldigung“ des Kölner Vaters in voller Länge:

„Dies ist ein Entschuldigungsschreiben an alle Kopschüttel-Passanten, die mitansehen mussten, wie mein Sohn einen Wutanfall bekam.

Bitte vergeben sie mir! Da hat sich mein Sohn doch tatsächlich mitten auf den Gehweg geworfen. Er wollte unbedingt mit dem Hubschrauber vorm Aldi in Leverkusen-Schlebusch fahren. UN-BE-DINGT, Papa! Das Fahrgeschäft kostet einen Euro und normalerweise bin nicht geizig, wenn es um diesen Zeitvertreib geht. Nur hatte ich meinem Sohn bereits eine Fahrt im Feuerwehrauto vorm dm spendiert. Man will sein Kind ja schließlich nicht verziehen. Außerdem waren wir ein wenig unter Zeitdruck. Wir erwarteten Gäste und … nein, ich möchte hier nicht billige Ausreden heranziehen, um mein Vergehen zu rechtfertigen. Ich bin schuldig!

Ich habe meinem Sohn die Fahrt mit dem Hubschrauber verwehrt. Er brüllte. Er legte sich auf den Bauch. Er trommelte auf die Erde. Ihr Alltag, liebe Kopschüttel-Passanten, wurde dadurch unverzeihlich und dauerhaft gestört. Ihr grimmiges mit der Zunge Schnalzen war berechtigt.

Was bin ich nur für ein Rabenvater!

Ich hoffe, dass der Herr mit den coolen Socken und schicken Schuhen, der mir ein gesalzenes „Äußerst peinlich, ihr Rotzbengel“ zuraunte, diesen Text hier liest und versteht, wie wichtig es mir ist, einen guten Eindruck bei ihm zu hinterlassen. Ich denke, auch privat sind Sie, werter Herr, ein super Typ, den man einfach gern hat. Ein absoluter Sympath, dessen Meinung stets so großes Gewicht hat, dass Sie sie ungefragt jedem vor den Latz knallen. Sie wissen, dass Ihre Mitmenschen Ihre wertvollen Gedanken unbedingt hören wollen. Mich jedenfalls haben Ihre Worte sehr bewegt. Danke, lieber Sandalenmann!

Sie merken, meine Bitte um Vergebung ist auch mit einem großen Dankeschön verbunden. Ich erinnere mich eine liebenswürdige alte Dame mit markanter roter Teufelsbrille, die sich zu Paul runterbeugte und fragte, ob sie meinem Sohn helfen denn könne. Ich stand direkt daneben. Ich, der Vater, stehe daneben, und die Dame versucht, mein Kind zu retten. Stark!

Liebe Teufelsbrille, Sie mischten sich ein. In genau dem richtigen Moment. Sie wussten, mit mir, dem völlig überforderten Vater, zu sprechen bringt nichts. Man muss direkt ans tobende Kind ran. Ja, man ist eine fremde Person für das Kind. Ja, man verschlimmert die Situation vielleicht noch. Aber meine Güte, es geht hier um das Kindeswohl. Ihr Versuch, mein Kind zu retten, scheiterte zwar, weil Paul Ihnen schlichtweg nicht antworte, aber Ihre Analyse, war „on point“ und öffnete mir die Augen.

“Ihr Sohn ist aber ein ganz schön vehementer Störenfried. Kinder machen so etwas einfach nicht. Sie sollten ihm eine kleben!“

Zack! Drei Erleuchtungen in einem einzigen kleinen Kommentar. Erstens, mein Sohn ist ein genauso verkorkster und schlechter Mensch wie ich es bin. Zweitens sind solche Wutanfälle sehr selten bei Kindern. Es gab wahrscheinlich seit Jahrzehnten keinen vergleichbaren Fall. Kinder machen so etwas einfach nicht. Und drittens, Gewalt löst jedes Problem.

Liebe Kopschüttel-Passanten, ich glaube, ich spreche für alle Eltern, wenn ich Ihnen sage, wie sehr wir Ihr Dasein begrüßen. Wir möchten noch mehr von Ihrer Frustration und Unzufriedenheit profitieren. Sie nerven uns zwar schon ordentlich, aber da ist noch Luft nach oben. Treiben Sie uns zur Weißglut! Pöbeln Sie uns an! Nur Ihr Weg ist der richtige, machen sie uns das klar! Was? Sie haben selbst gar keine Kinder und können aus eigener Erfahrung eigentlich gar nichts Sinnvolles beitragen? Egal! Machen Sie es trotzdem. Denn genau das ist Ihre Stärke! Sie haben die nötige Distanz. Sie kennen weder uns Eltern noch unsere Kinder, erlauben sich aber kackdreist ein Urteil. 

Zum Dank möchte ich Ihnen gerne einen Urlaub auf einer wunderschönen, verlassenen Insel spendieren. Alle zusammen. One-Way-Ticket. Es kommt von Herzen.

In tiefer und aufrichtiger Dankbarkeit,

Markus Brandl.“

Für seinen Facebook-Post bekommt Brandl viel Lob und Liebe. Brandl antwortet all denen: „In euren Kommentaren erzählt ihr von euren eigenen Erlebnissen. Völlig offen und ehrlich. Das ist wirklich einzigartig und beeindruckend hier auf Facebook. Vielleicht ist das die schönste und wertvollste Erkenntnis für andere Eltern: Wir sind nicht allein und teilen die selben Erfahrungen.“

Markus Brandl ist 34 Jahre alt und lebt mit seiner Frau und den beiden Söhnen in Leverkusen. Er lebt und liebt Social Media. Sowohl beruflich als auch privat. Auf Facebook schreibt er seit dreieinhalb Jahren über sich und seine Familie. Er teilt seine Erfahrungen mit seinen Followern und hofft so dem tendenziell steigenden Hass auf Facebook etwas entgegen setzen zu können. Wir haben ebenfalls über Brandls Wutbrief an die „Blender-Mamis“ auf Instagram berichtet

Hat Markus Brandl Ihre Unterstützung oder ärgert Sie sein Facebook-Post? Schreiben Sie einen Kommentar. 

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