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Zugunglück: Helfer kommen an ihre Grenzen

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Der Feuerwehrkommandant von Bad Aibling (Bayern), Wolfram Höfler
Der Feuerwehrkommandant von Bad Aibling (Bayern), Wolfram Höfler. © dpa

Bad Aibling - Bilder von Verletzten, Toten - wie hält man das aus? Wolfram Höfler, Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr Bad Aibling, ist seit 45 Jahren im Geschäft. Er weiß, was das heißt: Bilder eines Einsatzes verarbeiten. Dafür bekommen die Helfer nun Hilfe.

Sie sind am Ende ihrer Kräfte. Stundenlang haben sie in der Kälte Verletzte befreit, deren Schreie und Stöhnen gehört, manchmal erst nach endlos scheinender Zeit helfen können. Die Tragödie von Bad Aibling hat die Rettungskräfte an ihre Grenzen gebracht. Nach einem solchen Einsatz brauchen auch die Helfer Hilfe. Am Donnerstagabend trafen sie sich gemeinsam zur Aufarbeitung. Es wird weitere Treffen geben. Die schrecklichen Bilder melden sich meist erst später. „Die Beobachtungsphase ist sehr wichtig. Die ist am Donnerstagabend nicht beendet“, sagt der federführende Kommandant der Feuerwehr Bad Aibling, Wolfram Höfler. „Man ist sich nie sicher, ob man das aushält.“

Schon am ersten Tag, vor der Fahrt nach Hause, hatten alle - wie erschöpft auch immer - ein kurzes Gespräch mit Krisenhelfern. „Jeder, der im Einsatz war, jedes Fahrzeug musste an der Wache vorbeifahren.“ Viel Zeit zum Nachdenken bleibt nicht. Parallel läuft das normale Geschäft: Hier ein Brand, dort ein Sturm, umgerissene Bäume. Unter anderem muss die Feuerwehr das Einsatzzelt an der Unglücksstelle sichern.

Höfler kennt den Job seit 45 Jahren. Als am Morgen des Faschingsdienstags der Alarm kam, glaubte der erfahrene Feuerwehrmann an einen Irrtum. Vielleicht ein Mensch vom Zug erfasst, ein anderer Unfall - aber ein Zug gegen einen anderen? „Es ist unvorstellbar“, sagt Höfler, der als Verlagsmanager mit technischen Themen durchaus Vertrauen in die moderne Welt elektronischer Sicherheiten mitbringt. Zwei Züge, die ungebremst ineinanderrasen: Das kann heutzutage eigentlich nicht passieren. „Das ist es, was mich am meisten beschäftigt.“

"Man konzentriert sich auf die Aufgabe, nicht auf die Emotion"

Während des Einsatzes sind persönliche Regungen weggeblendet. „Man konzentriert sich auf die Aufgabe, nicht auf die Emotion“, sagt der 62-Jährige. Priorisieren, abarbeiten. Die Leichtverletzten, die selbst laufen können, bekommen grüne Bändchen, wer nicht laufen kann ein rotes. „Ich brauche die Distanz, das ist Teil des professionellen Vorgehens.“

Ob jeder Mensch diese Arbeit machen kann? „Das habe ich mich auch schon gefragt“, sagt Höfler. Und er räumt ein: Es geht nur, wenn er nicht persönlich betroffen ist. „Wenn Sie meine Frau fragen, wie ich mich zu Hause anstelle, wenn sich jemand in den Finger schneidet, meinen Sie, das sind zwei verschiedene Menschen.“

Vor fünf Jahren hat Höfler den Job als Feuerwehrkommandant übernommen. „Bad Aibling 1“ ist seitdem Höflers persönlicher Funkname. Die Verlagsarbeit überließ er vorübergehend seiner Frau. „Ich habe mich selbst freigestellt für die Arbeit.“ Denn das Ehrenamt ist ein 50-Stunden-Job. „Eigentlich ist das eine Pflichtaufgabe der Kommune.“

Höfler hat schon als Jugendlicher bei der Feuerwehr angeheuert. „Es war ein bisschen Abenteuerlust. Und die Herausforderung: Zu sehen, ob man mit unvorhergesehenen Situationen klarkommt.“ Und die gibt es praktisch immer.

Beide Söhne, der eine inzwischen mit abgeschlossenem Mathematikstudium, der andere Informatiker, sind ebenfalls seit ihrer Jugend bei der Freiwilligen Feuerwehr. Einer der beiden fährt den Vater jetzt zu Einsätzen, damit dieser sich schon auf der Fahrt vorbereiten kann. Früher, als die Söhne noch keinen Führerschein hatten, war es bei Alarm auch mal umgekehrt.

Derzeit geht es den insgesamt 700 Helfern vom Faschingsdienstag gut. „Ich sehe im Moment nicht das Problem, dass sich posttraumatische Belastungsstörungen einstellen“, sagt Höfler. Die Kollegen achten gegenseitig aufeinander. Einen schickten sie heim. „Wir haben gesehen, dass er sich merkwürdig verhält.“

Bei der Zugkatastrophe von Warngau vor gut 40 Jahren mit 41 Toten war Höfler bereits dabei. Zugeben, dass es einen mitnimmt? Das gab es damals nicht. „Da galt man damals als Weichei.“ An Fürsorge für die Retter dachte damals niemand. „Nach Warngau gab es ein Klopfen auf die Schulter. „Könnt's heimgehen.“ Das war alles.“

dpa

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