700 Euro im Monat für die Krankenkasse? SPD und Grüne fordern radikale Reform der Krankenversicherung
Die Krankenkassen haben kein Geld und schlagen Alarm. Die Idee von SPD und Grüne: Top-Verdiener sollen mehr einzahlen und der Wechsel in die Privatversicherung erschwert werden.
Berlin – In der Ampel-Koalition bahnt sich der nächste Streit an. Diesmal geht es um Sozialpolitik, konkret um die steigende Belastung im Gesundheitswesen. Die Bevölkerung lebt immer länger, die Energie- und Personalkosten werden immer höher, dadurch steigen insgesamt die Kosten der Krankenkassen mehr und mehr an. Kurz gesagt: Das Geld fehlt. Ein Weg, um die Einnahmen zu erhöhen wäre, die Kassenbeiträge zu erhöhen. Doch das halten SPD und Grüne für unzumutbar. Deshalb haben sie eine andere Idee.
Krankenkassen: Beitragsbemessungsgrenze soll ansteigen
Die beiden Parteivorsitzenden Saskia Esken (SPD) und Ricarda Lang (Grüne) fordern im Handelsblatt stattdessen eine Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Diese Grenze legt fest, bis zu welchem Bruttoeinkommen ein Arbeitnehmer in der gesetzlichen Krankenkasse versichert sein muss. Wer mehr verdient, darf sich auch privat versichern lassen, ausgenommen sind hier Beamte, die immer privat versichert werden. Bis zur Beitragsbemessungsgrenze steigen die Beitragssätze gestaffelt an. Wer also mehr Geld verdient, zahlt auch mehr ein.

Würde sich diese Grenze erhöhen, wie es SPD und Grüne fordern, dürften weniger Menschen in die Privatversicherung wechseln. Und die Top-Verdiener müssten auch höhere Beiträge zahlen. Wie viel mehr, kommt dann darauf an, wo die neue Beitragsbemessungsgrenze angesetzt wird. Denkbar wäre eine Erhöhung von zwischen 50 und 200 Euro im Monat.
Aktuell liegt bei den Krankenversicherungsbeiträgen die Beitragsbemessungsgrenze bei 4987,50 Euro brutto im Monat. Der maximale Betrag, den Arbeitnehmende für die Krankenkasse abgeben müssen, beträgt 488,78 Euro. Arbeitgebende zahlen immer genauso viel wie die Arbeitnehmenden, es wird 50–50 aufgeteilt. Würden die Beiträge um 200 Euro teurer werden, würden Top-Verdiener schon fast 700 Euro im Monat für die Krankenversicherung ausgeben.
FDP ist gegen eine Erhöhung der Bemessungsgrenze
„Wenn Mehreinnahmen im Gesundheitswesen benötigt werden, um diese Kostensteigerung zu bewältigen, dann kann die maßvolle Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze meines Erachtens ein vernünftiger Weg sein“, sagt Saskia Esken im Handelsblatt. Eine Erhöhung der Beiträge für alle schließt Ricarda Lang kategorisch aus: „Pauschale Beitragserhöhungen sind langfristig nicht die Lösung“.
Der Koalitionspartner, die FDP, hält wenig von der Idee. „Die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze ist der falsche Weg“, sagt die parlamentarische Geschäftsführerin der FDP-Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, dem Handelsblatt. Ihre Partei unterstütze die freie Wahl zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Würde sich die Beitragsbemessungsgrenze deutlich erhöhen, würde die PKV ausbluten, da sich kaum noch jemand den Wechsel leisten könnte.
Auch Arbeitgeberverbände sehen den Vorschlag kritisch. Denn schließlich müssten auch sie die Mehrkosten tragen. „Eine weitere Beitragserhöhung würde die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in Deutschland noch mehr einschränken“, sagt Marie-Christine Ostermann, Präsidentin der Familienunternehmen dem Handelsblatt.
Ob sich diese große Reform durchsetzt, ist also alles andere als sicher. Wenn sie aber nicht kommt, dann werden im kommenden Jahr die Beiträge für alle ansteigen müssen. Schon jetzt gehen die Krankenkassen von einem Defizit von acht Milliarden Euro aus – das würde dann mit einer Beitragserhöhung um 0,5 Prozent pro Kassenpatient aufgefangen werden müssen.