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BMW: E-Auto-Chef kritisiert Technologie-Offenheit - „eine gewisse Schizophrenie“

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Statt sich auf E-Mobilität zu fokussieren, fährt BMW eine Strategie der Technologie-Offenheit. Der Chef eines konkurrierenden E-Auto-Herstellers übt harsche Kritik.

Göteborg/München – Über Jahrzehnte avancierte BMW mit der Entwicklung und Produktion von Verbrennerfahrzeugen zur Kultmarke mit weltweitem Ansehen. Im Elektro-Zeitalter und der Transformation auf E-Mobilität droht diese Expertise überflüssig zu werden. Oder doch nicht? Während zahlreiche Autokonzerne, darunter die Rivalen Volkswagen und – mit Abstrichen – Mercedes-Benz ihren Fokus auf E-Autos richten, bewahrt sich der Münchner Hersteller Technologie-Offenheit. Das bedeutet, dass BMW auch weiterhin Modelle mit Benzin- oder Dieselmotor auf den Markt zu bringen gedenkt, inklusive Hybridautos.

BMW und die „schizophrene“ Verbrenner-Debatte: Kritik aus Schweden

Kritik gibt es dafür von Thomas Ingenlath, dem Chef der Elektroauto-Marke Polestar. Für den früheren Chefdesigner im Hause VW steht das Festhalten der Premiummarke BMW sinnbildlich für den Verfall des hiesigen Industriestandorts. „Das Problem, das ich in Deutschland sehe, ist eine gewisse Schizophrenie. Zum einen sich zu sorgen. Zum anderen aber auch, immer wieder Zweifel zu streuen, ob Elektromobilität der richtige Weg ist“, schildert der in Diensten von Polestar tätige Deutsche in einem Interview der Süddeutschen Zeitung. Ihm zufolge lasse hierzulande „die Verbrenner-Lobby immer noch nicht locker“.

Mit der propagierten Technologie-Offenheit von BMW geht Ingenlath hart ins Gericht. Auch die Ambitionen, dass womöglich E-Fuels (synthetische Kraftstoffe) eine Zukunft haben, stoßen dem 59-Jährigen auf: „Mein Gott, wir müssten schon längst jenseits dieser Diskussion sein. Natürlich ist Elektromobilität die Zukunft, und natürlich geht es von dort aus weiter, CO₂ auch in der Produktion zu reduzieren. Stattdessen sind wir immer noch dabei, über das Aus für den Verbrenner zu diskutieren?“

BMW-Elektroauto i5 bei der IAA: Doch der Konzern hält sich weitere Antriebsarten offen
BMW-Elektroauto i5 bei der IAA: Doch der Konzern hält sich weitere Antriebsarten offen. © Eibner/Imago

BMW: Polestar-Chef bemängelt Technologie-Offenheit - „muss doch Orientierung bieten“

Für den Autodesigner ist Deutschland in der Antriebsfrage ein „ganz spezieller Markt“, weil man sich nicht von Verbrennertechnologie lösen wolle. Was im Gespräch mit der SZ unerwähnt bleibt: Mit einer Abkehr von Benzin- und Dieselmotoren setzen Autobauer wie BMW womöglich unumkehrbar ihre lange zelebrierte Vormachtstellung in der Automobilindustrie aufs Spiel. Zudem fahren deutsche Konzerne in München, Stuttgart und Wolfsburg nach wie vor prächtige Renditen ein.

Wäre es für BMW also sinnvoll, den bewährten Weg basierend auf hochwertiger Motorentechnik tatsächlich zu verlassen und sich auf ein Geschäftsfeld zu fokussieren, in dem chinesische und ein US-Hersteller (Tesla) vermeintlich größere Expertise haben? Polestar-CEO Ingenlath stellt die Haltung der Konzernbosse infrage: „Wie kann man immer noch nach außen hin diese Ambivalenz zeigen? (...) Das ist für die Kunden auch fatal. Ich muss doch Orientierung bieten. Und den Menschen, die sich für 70.000 Euro ein Auto kaufen, die Gewissheit geben, dass das eine richtige Technologie-Entscheidung ist.“

BMW fährt mehrgleisig - Polestar-Chef sieht auch Deutschland rückständig

Derweil könnte es für Polestar sogar von Vorteil sein, dass der Kontrahent aus München seine Kapazitäten nicht komplett für E-Mobilität bündelt: Durch das mehrgleisige Fahren von BMW ist das Elektroauto-Angebot kleiner - und damit auch die potenzielle Konkurrenz für Polestar-Modelle. Die entstehen übrigens wie bei der Schwester Volvo in schwedisch-chinesischer Zusammenarbeit - die Konzernmutter ist Geely aus dem Reich der Mitte.

Nach Meinung von Ingenlath müsse man nicht erst nach China schauen, um sich der Rückständigkeit beim Fortschritt bewusst zu werden: Selbst in Schweden funktioniere die „Digitalisierung des Alltags“ besser, als in der Bundesrepublik: „Wenn ich nach Deutschland komme und dann schon Schwierigkeiten habe, im Taxi mit Kreditkarte zu bezahlen - das ist ein großes Problem.“ (PF)

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