Viessmann-Verkauf in die USA: Hausbesitzer sollten bei der Wärmepumpe „noch ein, zwei Jahre warten“

Der traditionsreiche deutsche Heizungsbauer Viessmann geht in die USA. Warum das laut Experte Südekum für Hausbesitzer eine gute Nachricht ist.
München - Der bekannte deutsche Heizungsbauer Viessmann spielt mit seinen Wärmepumpen eigentlich eine zentrale Rolle bei der Energiewende der Ampel. Doch nur wenige Tage, nachdem das Kabinett grünes Licht für die Wärmewende von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gegeben hat, haben die Hessen einer mIlliarden-schwere Übernahme durch den US-Riesen Carrier zugestimmt. Warum Viessmann sich zum Verkauf stellt, welche Rolle die Energiewende dabei spielt und wie groß das Risiko ist, dass Habeck den Deal auf der Zielgeraden doch noch kassiert, erläutert der Ökonom und Energieexperte Prof. Jens Südekum von der Uni Düsseldorf im Interview.
Herr Prof. Südekum, der deutsche Heizungsbauer Viessmann geht an den US-Konzern Carrier. Damit wechselt ein über 100 Jahre altes deutsche Traditionsunternehmen den Eigentümer. Wie traurig sind Sie?
Ich sehe den Deal schon mit einem weinenden Auge, auch, weil ein großer deutscher Mittelständler es sich offenbar nicht zutraut, aus eigener Kraft der grüne Champion zu werden und die Kontrolle über die Geschicke des Unternehmens zu behalten. Aber aus Sicht der Familie ist der Verkauf zum jetzigen Zeitpunkt sicher nachvollziehbar.
Warum?
Die Gewinne, die sich mit Wärmepumpen am Markt erzielen lassen, sind derzeit auf dem Höhepunkt und werden vermutlich in den kommenden Jahren tendenziell eher sinken, weil der Wettbewerbsdruck auf dem Markt künftig stark zunehmen dürfte und die Gewinnmargen damit unter Druck geraten. Insofern kommt der Verkauf jetzt wohl zum optimalen Zeitpunkt. Zumal man für die Expansion jetzt Kapital braucht, um skalieren zu können und mit den Asiaten mitzuhalten, die auf den deutschen Markt drängen.
Welche Rolle spielt bei dem Verkauf die Wärmewende der Bundesregierung?
Die Wärmewende heizt den Markt für Wärmepumpen extrem an - ob das die geplanten Verbote von Öl- und Gasheizungen sind oder die vorgesehen finanziellen Förderungen für Wärmepumpen. Das macht den deutschen Markt jetzt auch sehr interessant für Firmen aus Japan, China oder Südkorea. Die gute Nachricht aus Konsumentenperspektive ist aber: Der Preis für Wärmepumpen wird auf absehbare Zeit wohl deutlich sinken.
Von welcher Größenordnung sprechen wir hier?
Das kann man seriös kaum sagen. Aber vielleicht so viel: Bei den Photovoltaik-Anlagen gab es durch die Skalierung und den höheren Wettbewerbsdruck Preisrückgänge um 80 bis 90 Prozent. Bei Wärmepumpen werden Skalierung und Wettbewerb die Preise ebenfalls stark unter Druck setzen.
Also sollten Verbraucher jetzt noch abwarten?
Ich bin kein Energieberater (lacht). Aber wenn ich keinen Druck habe, würde ich tatsächlich noch ein, zwei Jahre warten, weil die Mechanismen erst allmählich einsetzen dürften. Ganz kurzfristig könnten die Preise sogar noch steigen, weil einige Hausbesitzer jetzt bestellen wollen oder müssen und wir ohnehin noch angeschlagene Lieferketten, höhere Wartezeiten und ausgebuchte Handwerker haben.
Neben Viessmann sind ja auch andere große Hersteller wie Buderus oder Vaillant in dem Markt unterwegs. Werden die sich gegen den Ansturm der Billigkonkurrenz aus Fernost behaupten können?
Zunächst: Die Viessmann-Wärmepumpen verschwinden mit der Übernahme nicht vom Markt. Die Produktion soll sogar ausgeweitet werden. Auch bei den Arbeitsplätzen ist eher mit einem Aufbau als einem Abbau zu rechnen. Dazu baut das Unternehmen gerade eine Produktion in Polen auf. Und was die beiden anderen deutschen Hersteller angeht: Da hoffe ich sehr, dass sie sich nicht für einen Verkauf entscheiden, sondern für Expansion durch das Einsammeln von Kapital und Ausweitung der Produktionskapazitäten.
Wie soll das gehen angesichts der drohenden Billig-Konkurrenz?
Ein Weg im Kampf mit günstigeren Anbietern aus Asien könnte sein, dass deutsche Hersteller nicht auf 08/15-Standard-Produkte setzen, sondern ähnlich wie in anderen Märkten auch das Qualitätssegment besetzen. Also: Besser sein als die Konkurrenz, aber eben auch ein bisschen teurer. Deutschland setzt in anderen Märkten auch nicht auf die Massenproduktion von Billigware, sondern auf Qualität - ob das Autos sind oder Stahl.
Die Lage bei Wärmepumpen erinnert an den deutschen Solarmarkt nach der Jahrtausendwende. Nach einem staatlich geförderten Boom ist die deutsche Solarindustrie schließlich von staatlich stark subventionierten Herstellern aus China verdrängt worden. Droht eine ähnliche Entwicklung jetzt auch in Deutschland?
Noch sehe ich diese Tendenz nicht. Viessmann stellt sein Geschäft mit Wärmepumpen ja nicht ein. Aber man muss diese Entwicklung sehr genau im Auge behalten. Sollte die heimische Produktion womöglich eines Tages doch stark zurückgefahren werden und massiv Arbeitsplätze verschwinden, würden bei mir die Alarmglocken schrillen. Die Anbieter von Solarpanelen sind damals massiv durch den chinesischen Staat subventioniert worden. Das haben wir bei Wärmepumpen aktuell so nicht. Aber wenn die Produktion von Wärmepumpen hierzulande den Massenmarkt erreicht, haben wir ein Problem. Denn solche Standard-Produkte können wir in Deutschland in der Regel nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen produzieren. Wir sollten daher aufpassen, dass wir nicht denselben Fehler machen wie bei der Solar-Industrie, die am Ende dann komplett aus Deutschland verschwunden ist – und zwar nicht nur die Produktion und die Arbeitsplätze, sondern auch die gesamte Forschung und Entwicklung in dem Bereich. Das ist mittlerweile alles in China, einschließlich des Know-hows. Das sollte bei den Wärmepumpen nicht passieren. Wir tun sehr gut daran, zumindest den Bereich Forschung und Entwicklung bei Wärmepumpen auch langfristig in Deutschland zu halten, damit wir auch die Wärmepumpe von morgen hier entwickeln können. Ohne ein gewisses Maß an Produktion geht das nicht.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den geplanten Verkauf genau unter die Lupe nehmen. Könnte der Deal noch kippen?
Der Bundeswirtschaftsminister könnte im Fall Viessmann das Außenwirtschaftsgesetz bemühen. Ich glaube aber nicht, dass er das tun wird und würde ihm das auch nicht raten. Bei einem chinesischen Investor läge der Fall womöglich anders, aber bei einem US-Investor mit einer starken Fusionskomponente sehe ich keinen Grund, die Übernahme zu verhindern. Auf lange Sicht sollten wir aber tatsächlich sicherstellen, dass die Wertschöpfung im F&E-Bereich bei Wärmepumpen in Deutschland gehalten wird. Dafür haben wir auch die nötigen Instrumente, etwa über Subventionen, denken Sie nur an die Important Projects of Common European Interest. Es gibt EU-Subventionen für Halbleiter oder Batteriezellen. Eine solche Regelung könnte ich mir auch für Hightech-Wärmepumpen vorstellen.