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Inflation in Deutschland auf dem höchsten Stand seit 50 Jahren

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Kunden beim Discounter Netto
Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Verbraucherpreise im Mai um 7,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats. © Martin Wagner/Imago

Die Inflation in Deutschland kratzt an der Acht-Prozent-Marke. Laut dem Statistischen Bundesamt lagen die Verbraucherpreise im Mai um 7,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

Wiesbaden – Kräftige Preissteigerungen für Energie und Lebensmittel haben die Teuerungsrate in Deutschland auf den höchsten Stand seit fast 50 Jahren getrieben. Im Mai lagen die Verbraucherpreise um 7,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats, wie das Statistische Bundesamt errechnet hat. Damit verharrte die Inflationsrate in Europas größter Volkswirtschaft im dritten Monat in Folge über der Marke von sieben Prozent. Von April auf Mai 2022 zogen die Preise um 0,9 Prozent an. Die Wiesbadener Statistiker bestätigten am Dienstag ihre vorläufigen Angaben von Ende Mai.

Inflationsraten auf dem derzeitigen Niveau gab es im wiedervereinigten Deutschland noch nie. In den alten Bundesländern muss man in der Zeitreihe bis in den Winter 1973/1974 zurückgehen, um ähnlich hohe Werte zu finden. Damals waren die Mineralölpreise infolge der ersten Ölkrise stark gestiegen. Höhere Teuerungsraten schmälern die Kaufkraft von Verbraucherinnen und Verbrauchern, weil diese sich für einen Euro dann weniger leisten können.

Inflation: Lebensmittel verteuerten sich im Mai um 11,1 Prozent

Infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine hatten die Energiepreise in den vergangenen Monaten auf hohem Niveau deutlich angezogen. Russland ist ein wichtiger Lieferant von Erdöl und Erdgas. Doch nicht nur die angespannte Lage auf dem Weltmarkt treibt die Energiepreise, sondern auch die deutsche CO2-Abgabe: Seit Jahresbeginn sind 30 Euro je Tonne Kohlendioxid fällig, das beim Verbrennen von Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas entsteht.

Im Mai mussten die Menschen in Deutschland für Energie 38,3 Prozent mehr zahlen als vor Jahresfrist. Heizöl war fast doppelt so teuer wie im Mai 2021. Erdgas verteuerte sich um mehr als die Hälfte. Auch die Preise für Kraftstoffe (41 Prozent) und Strom (21,5 Prozent) zogen deutlich an.

Lieferengpässe sorgen zudem dafür, dass Preise für viele Waren anziehen. Lebensmittel verteuerten sich um 11,1 Prozent. Damit verstärkte sich der Preisauftrieb nach 8,6 Prozent im April noch einmal kräftig. Die Preise für Waren insgesamt erhöhten sich im Mai zum Vorjahresmonat um 13,6 Prozent. Es gebe „Preiserhöhungen in fast allen Bereichen“, stellten die Statistiker fest. Die Bundesregierung versucht, die Menschen unter anderem durch einen befristeten Tankrabatt zu entlasten.

Inflation: Entspannung ist nicht in Sicht

Entspannung ist kurzfristig nicht in Sicht. Die Verkaufspreise im Großhandel, die auf die Verbraucherpreise wirken, waren nach Berechnungen des Bundesamtes im Mai um 22,9 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Damit war der Anstieg zwar etwas schwächer als im April 2022. Von April auf Mai dieses Jahres allerdings stiegen die Großhandelspreise um 1,0 Prozent.

Die Bundesbank erwartet für das Gesamtjahr in Deutschland eine Teuerungsrate von 7,1 Prozent gemessen am sogenannten harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI). Diesen zieht die Europäische Zentralbank für ihre Geldpolitik heran. Im Mai lag der HVPI in Deutschland um 8,7 Prozent über Vorjahresniveau.

Die EZB peilt für den Währungsraum der 19 Länder mittelfristig stabile Preise bei 2 Prozent Inflation an. Angesichts der rekordhohen Teuerung hat die Notenbank nach langem Zögern den Ausstieg aus ihrer seit Jahren ultralockeren Geldpolitik beschlossen: Die milliardenschweren Anleihenzukäufe werden zum 1. Juli beendet. Am 21. Juli will der EZB-Rat die Leitzinsen erstmals seit elf Jahren wieder erhöhen, zunächst um jeweils 0,25 Prozentpunkte. „Die Geldpolitik ist aufgerufen, die Teuerung durch konsequentes Handeln zurückzuführen“, mahnte jüngst Bundesbankpräsident Joachim Nagel. (lma/dpa)

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