Ampel-Koalition: Mindestlohn-Erhöhung kommt - Aber eine zentrale Frage bleibt offen
Die Ampel-Koalition hat sich auf die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde geeinigt. Erste Details sind jetzt klar, aber in ein em zentralen Punkt bleibt die Einigung seltsam unklar.
Berlin - Es war eines der zentralen Versprechen, mit dem die SPD den Bundestagswahlkampf bestritt: die Anhebung des gesetzlichen Mindestlohns. Das Projekt steht jetzt auch im Ampel-Koalitionsvertrag.
Mindestlohn: Zentrales Gremium entmachtet?
Von der Regelung dürften Millionen Beschäftigte profitieren: „Wir werden den gesetzlichen Mindestlohn in einer einmaligen Anpassung auf zwölf Euro pro Stunde erhöhen. Im Anschluss daran wird die unabhängige Mindestlohnkommission über die etwaigen weiteren Erhöhungsschritte befinden.“
Diese Formulierung erweist sich allerdings als unkonkret. Im Koalitionsvertrag findet sich keine Angabe, wann genau der Mindestlohn angehoben wird. Normalerweise befindet über eine Erhöhung die Mindestlohnkommission, ein Gremium aus Gewerkschaftern, Arbeitgebern und Wissenschaftlern. Sie gehen ihre Empfehlung, die im Wesentlichen auf der vorangegangenen Lohnentwicklung beruht, alle zwei Jahre ab.
Mindestlohn wird auf zwölf Euro pro Stunde angehoben - aber wann?
Zuletzt empfahl die Kommission am 30. Juni 2020 eine Anhebung des Mindestlohns in vier Schritten bis Ende 2022: von aktuell 9,60 Euro pro Stunde auf 9,82 Euro ab Januar 2022. Ab Juli 2022 gelten dann 10,45 Euro. Die nächste Empfehlung der Kommission für die Jahre 2023 und 2024 steht im Sommer 2022 an.
Nun will die künftige Bundesregierung „in einer einmaligen Anpassung“ den gesetzlichen Mindestlohn auf zwölf Euro anheben und sich damit über die Mindestlohnkommission hinwegsetzen. Nur wann? Wartet sie, bis die Kommission eine neue Empfehlung abgibt? Dann gäbe es die zwölf Euro erst ab Januar 2023. Möglich ist aber auch, dass die Ampel-Koalition den Sprung auf 10,45 Euro ab Juli 2022 kassiert und gleich auf zwölf Euro anhebt. Eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns hatte auch der Wirtschaftsweise Achim Truger gegenüber Merkur.de* befürwortet.
Mindestlohn: Wissenschaftler warnt vor Kipp-Punkt am Arbeitsmarkt
Doch es geht nicht nur um das Wann, sondern auch um die Frage, ob die politische Einflussnahme nicht zu groß wird. Wissenschaftler befürchten, dass das Monopol der Kommission bröckeln könnte und über den Mindestlohn künftig nicht die Sozialpartner, sondern vermehrt die Parteien entscheiden. „Die Zwölf-Euro-Festlegung ist ein Einschnitt, dem leicht ein politischer Überbietungswettbewerb folgen könnte“, warnte etwa Holger Bonin vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) gegenüber Welt.
Der Wissenschaftler sprach in diesem Zusammenhang von einem Kipp-Punkt am deutschen Arbeitsmarkt. Es sei sinnvoll, dass Gewerkschaften und Arbeitgeber über Lohnanpassungen entscheiden, da sie die Verhältnisse in den Konzernen und Betrieben kennen. Der Mindestlohn könne nicht beliebig angehoben werden, da irgendwann ein Kipp-Punkt erreicht werde, „ab dem die Arbeit so teuer wird, dass Unternehmen Jobs abbauen“, erklärte Bonin.