Fünf Möglichkeiten des Westens, um Russlands Wirtschaft zu zerstören
Die Sanktionen des Westens gegen Russland zeigen Wirkung. Doch Russland wird immer besser darin, sie zu umgehen. Eine US-Denkfabrik hat Vorschläge, wie man die Daumenschrauben weiter anziehen könnte.
Washington – Der russische Rubel befindet sich in freiem Fall, die Stabilisierungsmaßnahmen der Zentralbank werden immer drastischer. Zuletzt hatte sie den Leitzins stark angehoben, auf 12 Prozent, von zuvor 8,5 Prozent. Damit zeigt sich: Die Sanktionen des Westens gegen Russland zeigen Wirkung.
Aber Russland wird auch immer besser darin, die Sanktionen zu umgehen. So verkauft Russland beispielsweise trotz Embargo weiterhin Öl, das über Umwege wieder nach Deutschland und Europa kommt. Um diese Lücken zu schließen und die russische Wirtschaft noch weiter unter Druck zu setzen, an die US-Denkfabrik Atlantic Council fünf Vorschläge für den Westen erarbeitet. Das erklärte Ziel: Russland weiter wirtschaftlich zu isolieren.
1. Schlupflöcher bei Exportkontrollen schließen
Der erste und wichtigste Vorschlag der Denkfabrik betrifft das Stopfen der Löcher in den bestehenden Sanktionen. Der Export westlicher Waren nach Russland untersteht strengen Sanktionen – und doch finden Waren, vor allem solche mit westlicher Technologie, immer wieder den Weg in die russische Föderation. Das gelingt mutmaßlich über Drittländer, die die Waren importieren und dann nach Russland weiterverkaufen.
Diese Schlupflöcher gilt es nach Auffassung des Atlantic Council zu schließen. Um dies effektiv zu tun, könne ein altes System aus der Zeit des Kalten Krieges als Blaupause dienen: Damals entstand ein Koordinierungskomitee aus Regierungen, die die Sanktionen gegen die Sowjetunion unterstützten und gemeinsam den Export von Gütern stärker kontrollierten.
Zugleich betont die Denkfabrik: „Exportkontrollen werden nie ganz wasserdicht sein.“ Schließlich sei es in Russland Tradition, über immer neue Wege westliche Technologie zu stehlen. Dennoch könnte eine bessere Ausführung der Exportkontrollen eine große Wirkung haben.
2. Verschärfung des Ölpreisdeckels
Seit Herbst 2022 haben die G7-Staaten einen Ölpreisdeckel für russisches Öl eingeführt. Der Preisdeckel beträgt 60 Dollar pro Barrel – mehr bezahlen die Länder nicht für die russische Ware, die über den Seeweg kommt. Das Ziel des Deckels war es, Russland zum Verkauf seines Öls unter Marktwert zu zwingen, damit die Einnahmen insgesamt sinken. Nach Angaben des Atlantic Council hat der Ölpreisdeckel auch Wirkung gezeigt: Die Einnahmen Moskaus aus Erdöl seien gesunken.
Allerdings mehren sich auch die Meldungen über die Umgehung der Sanktionen, weshalb die Denkfabrik Gegenmaßnahmen vorschlägt. So versuche Russland seine Einnahmen zu erhöhen, indem sie die Transportkosten für das Öl nach oben schraubt. Händler in den G7-Staaten müssten der Denkfabrik zufolge stärker kontrolliert werden, ob sie sich wirklich an die 60-Dollar-Grenze halten – und es sollte klargemacht werden, dass Forderungen nach überhöhten Transportkosten gegen die Sanktionen verstößt.
Der Atlanic Council schlägt auch vor, gegen Handelsunternehmen, die wiederholt gegen die Sanktionen verstoßen, ebenfalls Sanktionen zu verhängen – in der Hoffnung, dass das andere Unternehmen abschreckt.
Zudem gehen die Autoren auf die hohen Importe von russischem LNG in Europa ein. Da man davon ausgehe, dass in den kommenden zwei Jahren die Menge an LNG aus anderen Regionen der Welt zunehmen wird, könne man zu einem späteren Zeitpunkt auch über die Sanktionierung von LNG aus Russland nachdenken.

3. Russisches Vermögen für den Wiederaufbau der Ukraine nutzen
Kontrovers diskutiert wird seit Beginn des Kriegs darüber, was Europa und andere westliche Staaten denn mit den eingefrorenen Vermögenswerten von sanktionierten Russen tun soll. Der Atlantic Council positioniert sich da klar: Das Vermögen, dessen Wert auf rund 360 Milliarden Dollar geschätzt wird, muss für den Wiederaufbau der Ukraine eingesetzt werden. In der EU hat man sich bisher dagegen positioniert – es ist nicht klar, ob eine solche Maßnahme laut internationalem Recht legal wäre.
Die Denkfabrik stellt aber auch klar: Diese Maßnahme allein werde Russland kurzfristig kaum beeinflussen. „Aber die symbolische Bedeutung, die es hätte, wenn man über die Hälfte des russischen Vermögens für die Entschädigung des Opfers eines rechtswidrigen Angriffskriegs verwenden würde, wäre enorm“.
4. Verstecktes Vermögen von Oligarchen finden
Russische Oligarchen und auch Machthaber Wladimir Putin selbst nutzen viele verschiedene Wege, um ihr Vermögen zu verstecken. Ein Weg ist durch das Aufkaufen ausländischer Firmen – was auch noch den Nebeneffekt hat, dass dadurch die Macht dieser Personen ausgeweitet wird. Diese Praktiken gilt es laut Atlantic Council besser zu bekämpfen.
So sollten westliche Länder mehr Transparenz über die Eigentumsverhältnisse von Firmen schaffen. Dazu würden schon seit längerem verschiedene Gesetzesvorhaben diskutiert – die es nach Meinung der Denkfabrik im Kampf gegen Russland zu implementieren gilt.
5. Generelles Finanzembargo verhängen
Bisher haben westliche Länder sehr vorsichtig und nur gegen bestimmte Banken und Finanzinstitute Sanktionen verhängt. Zu groß war die Angst, dass ein vollständiges Finanzembargo gegen Russland katastrophale Folgen für die Weltwirtschaft hätte. Doch laut Atlantic Council sollte der Westen jetzt mutiger agieren und ein vollständiges Embargo gegen das Finanzsystem Russlands verhängen. Denn die Maßnahmen, die schon jetzt in Kraft sind, haben keine Weltwirtschaftskrise ausgelöst – dabei sind sie schon jetzt tiefgreifend.
„Ein formales Finanzembargo würde die russische Wirtschaft weiter isolieren – und die Symbolkraft wäre vielleicht noch bedeutender als die tatsächliche Auswirkung“. Es würde auch damit einfacher werden, andere Sanktionen zu überwachen: Es sei schließlich leichter, einfach alle russischen Transaktionen und Exporte zu stoppen, anstatt nur die mit bestimmten Gütern. Russland wäre gezwungen, auf andere Währungen wie dem indischen Rupie oder dem Yuan aus China umzusteigen – was aber den Handel auf ausschließlich diese Länder beschränken würde. Für die russische Wirtschaft hätte das große Folgen, was möglicherweise auch zu einer langsamen Veränderung in der russischen Gesellschaft führen könnte.