Scholz laut Chemieindustrie „im falschen Film“: Branche geht gegen Kanzleramt auf die Barrikaden
Die Chemieindustrie sendet schon seit Wochen Alarmsignale an die Regierung. Die Firmen ächzen unter den Energiepreisen, es müsse ein Industriestrompreis her. Der Kanzler aber will davon wenig wissen.
Berlin – Es ist schon mal kein gutes Zeichen, wenn sich das Kanzleramt und die Chemieindustrie bei der Vorbereitung ihres gemeinsamen Gipfels noch nicht mal auf die Themensetzung einigen kann. Der Chemiegipfel soll in zwei Wochen stattfinden, die Branche will mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) über konkrete Maßnahmen zur Stützung der kriselnden Firmen sprechen. Der aber will, so berichtet es die Süddeutsche Zeitung, lieber über die „Innovationskraft und Investitionsbereitschaft“ der Branche sprechen.
VCI klagt erneut: „Die Lage ist ernst“
Die schwierige Lage der Chemiebranche hat am Donnerstag VCI-Präsident Markus Steilemann bei der Vorstellung der Quartalszahlen abermals betont. „Die Lage ist ernst und die Stimmung dementsprechend schlecht.“ Hohe Energiepreise und die Überregulierung, über die sich auch andere Branchen beklagen, seien schuld an der miserablen Lage. „Natürlich nehmen wir als Branche wahr, dass die Politik nicht die Augen vor den aktuellen Problemen verschließt. Aber Worte sind noch keine Taten“, kritisiert Steilemann. „Die Bundesregierung muss den Alarmruf der energieintensiven Industrie ernst nehmen. Die Zeit drängt. Die Zeit zu handeln ist jetzt.“
Knackpunkt der Diskussionen ist nach wie vor der Industriestrompreis. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) befürwortet schon seit Juni die Einführung eines subventionierten Strompreises für energieintensive Unternehmen bis 2030. Gestärkt wird er von der Chemiebranche selbst, die diesen Brückenstrompreis mit Nachdruck fordert, damit der Standort Deutschland wettbewerbsfähig bleiben kann. Doch Finanzminister Christian Lindner (FDP) und der Kanzler sehen das ganz anders: Eine Dauersubvention der Energiepreise könne man sich nicht leisten.
Industriestrompreis für Scholz „nicht vom Tisch“
Der Kanzler hat aber zum Chemiegipfel ins Kanzleramt eingeladen, dafür hat es nun das Vorbereitungstreffen gegeben. Wie weit die Vorstellungen der Beteiligten auseinander gehen, zeigt sich dabei nach Angaben der SZ schon im Protokoll, das der Zeitung vorliegt. Das Kanzleramt sei offenbar „im falschen Film“, heißt es dort, wenn er statt über Themen wie den Industriestrompreis lieber über Innovation sprechen will. Scholz Vorschlag für die Leitfrage des Treffens: „Wie technische Innovationen in der Chemieindustrie zur erfolgreichen Transformation der Industrie in Deutschland beitragen können“.
Allerdings heißt es im Protokoll wohl auch, dass die Frage nach dem Industriestrompreis für Scholz „nicht vom Tisch“ sei. Das könnte aber auch vieles bedeuten.

Derweil drosselt die Chemieindustrie ihre Produktion weiter. Der VCI rechnet für 2023 mit einem Gesamtrückgang von 8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im zweiten Quartal des Jahres ging die Produktion um 1,2 Prozent zurück. Der Gesamtumsatz der Chemie- und Pharmaindustrie sank saisonbereinigt von Quartal zu Quartal um 4,7 Prozent auf insgesamt 54,2 Milliarden Euro.
Damit sollte der Weckruf auch im Kanzleramt angekommen sein. Und wenn nicht: in einem Rundbrief an die Mitgliedsunternehmen betonte Präsident Markus Steilemann, dass er beim kommenden Chemiegipfel den Kanzler „in die Pflicht nehmen“ wolle.