Streik bei der Bahn: Warum der Streit zwischen GDL und Deutscher Bahn so schnell eskaliert ist
Deutsche Bahn und GDL haben ein einziges Mal verhandelt. Es folgten: ein Warnstreik und eine Urabstimmung für unbefristete Streiks. Eine noch nie dagewesene Eskalation.
Berlin – Es steht zwar noch nicht fest, ob die Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) nochmal streiken wird. Was aber schon feststeht, ist, dass die Tarifverhandlungen mit der Deutschen Bahn schon nach einem Termin ziemlich vergiftet sind. Denn obwohl der Konzern bereits zum Auftakt elf Prozent mehr Lohn angeboten hat, gingen die Lokführer in einen 20-stündigen bundesweiten Streik. Und kündigte danach eine Urabstimmung für unbefristete Streiks an. Die Bahn kritisierte das Verhalten als „befremdlich und irrational“.
Wie die Situation so schnell so aus den Fugen geraten konnte, hat wohl zwei wesentliche Gründe. Zum einen weigert sich die Deutsche Bahn, beim Thema Arbeitszeitverkürzung zu verhandeln. Und zum anderen geht es bei diesen Verhandlungen um die reine Existenz der GDL.
GDL fordert weniger Arbeitszeit – Bahn hält das für unmöglich
Die GDL fordert – neben einer Lohnerhöhung von 555 Euro pro Monat und einer Inflationsprämie von 3000 Euro – eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit von 38 auf 35 Stunden für Schichtarbeitende bei vollem Lohn. Aus Sicht von GDL-Chef Claus Weselsky kann nur so die Attraktivität dieser Berufe verbessert werden. Am Wochenende argumentierte der Gewerkschaftschef, die Arbeitszeit würde bei einem Abschluss zudem „maßvoll und in Schritten“ abgesenkt.
Doch die Bahn hat bei ihrem ersten Angebot die Arbeitszeitverkürzung als „falschen Weg“ bezeichnet. Dafür fehle das Personal – was auch eine unabhängige Untersuchung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln belegte. In keinem anderen Beruf bei der Bahn sei die Fachkräftelücke so groß wie die bei den Lokführern und Lokführerinnen, so das IW.
Mit der Absage an die zentrale Forderung der GDL hat die Gewerkschaft aber schon gleich die Notbremse gezogen und den Streik ausgerufen. Damit signalisiert sie: Keine Annäherung bei diesem Thema ist für uns keine Option. Und die Gewerkschaft geht noch weiter, indem sie sich nun mit einer Urabstimmung die Rechtssicherheit für unbefristete Streiks holt. Gleichzeitig betont Weselsky: „Wir haben noch nie unbefristet gestreikt.“

Der GDL-Chef hofft also wohl, dass allein die Androhung unbefristeter Streiks den Arbeitgeber zu mehr Bewegung zwingen könnte. Das hat auch schon in der Vergangenheit funktioniert: Erst im vergangenen Jahr, als die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) mit der Lufthansa-Tochter Eurowings verhandelte, wurde ebenfalls eine Urabstimmung durchgeführt. 97,7 Prozent stimmten damals für unbefristete Streiks – die aber nie ausgerufen werden mussten. Am Ende konnten sich VC und Eurowings einigen.
Weselsky und die GDL kämpfen um ihre Daseinsberechtigung
Doch Weselsky geht es nicht nur darum. Was sicher auch seine Entscheidungen beeinflusst, ist das sogenannte Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. Bei den rund 300 Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die EVG, die schon im Frühjahr mit der Bahn verhandelt hat. In lediglich 18 Bahn-Unternehmen kommen derzeit die GDL-Verträge zur Anwendung.
Doch aus Sicht der Lokführer-Gewerkschaft gibt es kein gesichertes Feststellungsverfahren der Mitgliederzahl in den jeweiligen Betrieben. Sie klagt deshalb in mehreren Verfahren gegen die Festlegungen des Konzerns, bei einigen bereits in letzter Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht. Die GDL ist deshalb darum bemüht, ihren Einflussbereich bei der Bahn auszuweiten. In dieser Tarifrunde will sie auch für die Beschäftigten der Infrastruktursparte verhandeln. Die Bahn lehnt das ab. Bislang hat die GDL dort keine eigenen Tarifverträge.
Für Weselsky geht es also auch um einen harten Machtkampf zwischen den Gewerkschaften, die GDL muss um ihre Daseinsberechtigung kämpfen. Wenn sie hart verhandeln und ein gutes Angebot holen, stärkt das ihre Basis und könnte auch neue Mitglieder anlocken – was das Fortbestehen der Gewerkschaft in Zukunft auch sichern würde.
Mit Material von dpa