1. tz
  2. Wirtschaft

Miet-Vorauszahlungen, Pinkeln im Sitzen: Was Menschen tun, um eine Wohnung zu finden

Erstellt:

Von: Amy Walker

Kommentare

Wer in Großstädten auf Wohnungssuche ist, hat derzeit besonders schlechte Karten. Angesichts der grassierenden Not versuchen immer mehr Menschen, sich einen Vorteil zu verschaffen.

Berlin – In keiner deutschen Großstadt sind die Mieten in den vergangenen Monaten so sehr angestiegen wie in Berlin. Im März 2023 lag der durchschnittliche Quadratmeterpreis bei 12,55 Euro, noch im November lag er bei 9,86 Euro. Und es gibt mittlerweile fast keinen Leerstand mehr: Lediglich 0,8 Prozent der Wohngebäude stehen in der Hauptstadt aktuellen Zahlen zufolge leer.

Für Wohnungssuchende ist die Lage entsprechend schwierig. Nicht nur in Berlin, auch in anderen Großstädten wie München und Hamburg wird die Not immer größer. Und bei großer Not finden sich auch immer Menschen, die bereit sind, diese auszunutzen. Die Pressesprecherin vom Berliner Mieterverein spricht von einer „Schattenwirtschaft“, die hier aufgekommen ist.

10.000 Euro bar für eine Chance, eine Wohnung zu mieten

Das zeigen auch die vielen Berichte von Wohnungssuchenden. So sind viele Interessenten inzwischen bereit, Extra-Geld für eine Wohnung zu bezahlen. In einem Fall erzählt ein junges Paar aus Berlin, dass bei einer Besichtigung andere Interessenten bis zu 10.000 Euro auf die Hand angeboten haben, wenn sie die besichtigte Wohnung erhalten würden.

Auch umfassende Miet-Vorauszahlungsangebote kommen ins Spiel. „Ich habe ein Wohnungsgesuch online gesehen, da hat jemand angeboten, die komplette Jahresmiete im Voraus zu bezahlen, um an eine Wohnung zu kommen“, berichtet eine Münchenerin gegenüber Ippen.Media.

Wohnungssuche
Immer weniger bezahlbarer Wohnraum zu finden, befürchtete vor drei Jahren nicht einmal die Hälfte (46 Prozent), nun sind es 83 Prozent, das belegt eine Studie des Opaschowski Instituts für Zukunftsforschung. © Peter Kneffel/dpa

Fast alltäglich sind dagegen schon satte Abschlagszahlungen werden, damit eine Person als Nachmietender überhaupt in Betracht gezogen wird. In vielen Wohnungsanzeigen sind Abschlagszahlungen für gebrauchte Küchen in Höhe von 4000 oder 5000 Euro – oder sogar noch mehr – inzwischen an der Tagesordnung.

In ihrer Not schrecken Wohnungssuchende auch vor radikalen Schritten nicht zurück. Auf dem Portal Business Insider berichtet ein junger Student von einem ungewöhnlichen Ansatz. Danach habe er bei der Suche nach einem Zimmer mit Pappschildern für sich geworben. Als Pluspunkte nannte er unter anderem „kann im Stehen Pinkeln“ oder „kann Kochen“. Zudem versicherte er, in der Dusche nicht zu singen. In seinem Fall ging es sogar gut aus: Am Ende hat der Student eine Wohnung gefunden.

Berliner Mieterverein: Wenig Überraschung

Beim Berliner Mieterverein ist man über diese Berichte zwar erschrocken, aber nicht wirklich überrascht. Und auch sie können eigene Beispiele nennen: So sei es mittlerweile keine Seltenheit mehr, dass insbesondere Geflüchtete und andere Bedürftige eine Art „informelle Maklergebühr“ bezahlen. Das passiert entweder als illegale Praxis, bei denen echte Makler versuchen, Wohnungssuchen abzuzocken; nicht unüblich ist es wohl aber auch, dass Privatleute ihren Bekannten gegen eine kleine Zahlung eine Wohnung vermitteln.

„Was man von all diesen Beispielen ableiten kann, ist das: Es gibt eine Notlage, die von dieser Schattenwirtschaft ausgenutzt wird“, so Pressesprecherin Ulrike Hamann.

Mieterverein und Rechtsberatung

Als Mietende lohnt es sich, in einen Mieterverein einzutreten. Diese gibt es in ganz Deutschland, der Dachverband ist der Deutsche Mieterbund. Wer in einen Mieterverein eintritt, erhält dort eine kostenlose Rechtsberatung. Dort können Betroffene von Juristen professionell beraten und unterstützt werden. In manchen Fällen helfen Mietervereine auch bei Klagen. Um Mitglied in einem Mieterverein zu sein, muss man eine Gebühr zahlen. Die Gebühr liegt für Normalverdienende bei 9 Euro pro Monat, Bedürftige erhalten eine Ermäßigung.

Allerdings handele es sich laut Sprecherin eher um Einzelfälle. Legal seien diese Praktiken nämlich nicht – aber eben auch nicht ganz illegal. „Wenn man nach einer mündlichen Verhandlung so einen Deal eingeht, dann ist das schon legal“, so Hamann. Für Wohnungssuchende sei es oft auch nicht wirklich möglich, das Angebot rechtlich prüfen zu lassen – schließlich sucht sich der Vermietende im Zweifel einfach jemanden anderen, der ohne zu zögern das Geld bezahlt.

Wer im Nachgang, also nachdem beispielsweise eine hohe Abschlagszahlung geleistet wurde, den Deal rechtlich prüfen lassen will, könnte das bei einem Mieterverein in der Regel tun. „Es ist aber meistens sehr schwer, bereits geleistete Zahlungen wieder zurückzubekommen“, so Hamann. Am erfolgreichsten sei man hingegen in den Fällen, in denen die Mietpreisbremse nicht eingehalten wurde. „Das passiert immer wieder und wenn wir davon hören, helfen wir den Betroffenen – bis hin zur Klage“. In der Regel würden diese Fälle auch für den Mietenden erfolgreich verlaufen.

Auch interessant

Kommentare