„Unglaublich wichtige Daten für viele Generationen“: Forschungsteam fördert Gestein aus dem Erdmantel zutage

Bis heute ist es der Forschung nicht gelungen, in den Erdmantel zu bohren. Doch nun kann sie trotzdem auf Gestein aus dem Erdmantel zurückgreifen – mit einem Kniff.
Frankfurt – Wie die Erde in ihrem Inneren aufgebaut ist, können Forscherinnen und Forscher bisher nur indirekt erforschen: Sie untersuchen, wie sich seismische Wellen im Inneren der Erde bewegen. Werden diese verlangsamt, beschleunigt oder gar abgelenkt, lässt das Rückschlüsse auf die verschiedenen Schichten im Erdinneren zu.
Doch seit vielen Jahren arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auch daran, an Gestein aus tieferen Schichten der Erde zu gelangen. Bereits 1961 versuchte eine geologische Forschungsmission, von einem Schiff aus durch die Erdkruste zu bohren und eine Gesteinsprobe aus dem Erdmantel zu bergen. Der Versuch scheiterte – bis heute ist es der Forschung nicht gelungen, den Erdmantel zu erreichen.
Dieser liegt zwischen der Erdkruste und dem Erdkern. Die Grenze zwischen der äußersten Erdschicht (Erdkruste) und dem etwa 35 Kilometer dicken Erdmantel ist die sogenannte Moho (Mohorovičić-Diskontinuität). Diese befindet sich in einer Tiefe von bis zu 80 Kilometern, in den Ozeanen ist sie teilweise schon in einer Tiefe von fünf bis 15 Kilometern zu finden. Das will sich die Forschung bereits seit vielen Jahren zunutze machen und versucht, von Schiffen aus in die Tiefe zu bohren.
„Es war jahrzehntelang ein Traum“ – Forschungsteam fördert Gestein aus dem Erdmantel zutage
Der aktuellen Besatzung des Forschungsschiffs „JOIDES Resolution“ ist nun offenbar etwas gelungen, worauf Forscherinnen und Forscher bereits seit Jahren warten: Das Team hat knapp 1000 Meter tief in den Ozeanboden gebohrt und hat dabei das Gestein Peridotit an die Oberfläche geholt. Die tiefste Bohrung in diesem Gestein lag bisher bei 200 Metern und fand im Jahr 1993 statt, heißt es in einer Mitteilung der Schiffscrew. „Das Ausmaß der Geschichte, die sich hier abspielt, ist unserer wissenschaftlichen Gruppe sicherlich nicht entgangen. Viele von ihnen sind erfahrene Feldforscher und glauben, dass dies unglaublich wichtige Daten für viele Generationen von Wissenschaftlern in der Zukunft sein werden“, heißt es dort weiter.
Es geht um so viel mehr als nur darum, ein kleines Stück Meeresboden zu verstehen.
Tatsächlich ist es dem Forschungsteam nicht gelungen, bis hinab in den Erdmantel zu bohren. Die „JOIDES Resolution“ erkundet das Atlantis-Massiv im Atlantischen Ozean, ein unterseeisches Bergmassiv, das eine Höhe von etwa 3000 Metern über dem Ozeanboden erreicht. Es besteht nicht aus dem für Ozeanboden typischen schwarzen Basalt, sondern aus Peridotit, einem Gestein, das üblicherweise im Erdmantel angesiedelt ist. „Das Atlantis-Massiv bietet den seltenen Vorteil, Zugang zu Mantelgestein zu bieten, denn es besteht aus Mantelgestein, das näher an die Oberfläche gekommen ist“, schreiben die Forschenden in ihrer Mitteilung.
„Es geht um so viel mehr als nur darum, ein kleines Stück Meeresboden zu verstehen“
Das Mantelgestein, das die Mission bisher an die Oberfläche gebracht hat, wurde nicht durch Verwitterung an der Oberfläche verändert, weshalb sich die Forscherinnen und Forscher „neue Einblicke in die Zusammensetzung und Struktur des Mantels sowie in die darin stattfindenden Prozesse“ erhoffen. Das Fachportal Science berichtet davon, dass das zutage geförderte Mantelgestein offenbar nicht zu Magma geschmolzen ist. Die Forschung hofft, unter anderem mehr darüber zu erfahren, wie Magma schmilzt und fließt – Dinge, die weltweit in Vulkanen geschehen.
Andere Fragen, zu denen sich die Forschung Antworten erhofft, haben mit der Hitzeproduktion im Erdinneren zu tun. Wie viel Hitze produziert der gesamte Erdkern? Diese Hitze treibt die Konvektion an, die letztendlich für die Plattentektonik verantwortlich ist. „Es geht um so viel mehr als nur darum, ein kleines Stück Meeresboden zu verstehen“, betont der Geochemiker James Day gegenüber Science. Die Mantel-Geochemikerin Jessica Warren ergänzt: „Es war jahrzehntelang ein Traum, diese wirklich neuen Materialien zu bekommen. Wir werden endlich den Zauberer von Oz sehen.“ (tab)