Warum Mondlandungen auch Jahrzehnte nach „Apollo“ noch schwierig sind
Die Mondlandung einer japanischen Sonde ist gescheitert – es ist nicht das erste Versagen auf dem Mond. Wieso ist es heute noch so schwierig, auf dem Mond zu landen?
Frankfurt – Die Landung der japanischen Landesonde „Hakuto-R“ auf dem Mond ist sehr wahrscheinlich gescheitert – genau wie zwei weitere ambitionierte Missionen aus Israel und Indien im Jahr 2019. Doch warum ist das so? Warum scheitern heute unbemannte Mondlandungen, während es der US-Raumfahrtorganisation Nasa in den Jahren 1969 bis 1972 ganze sechsmal gelang, Menschen auf dem Mond landen zu lassen?
Die letzten Mondlandungen, die gelungen sind, wurden allesamt von China durchgeführt: Im Jahr 2013 gelang es der aufstrebenden Weltraumnation erstmals, einen Rover auf dem Mond zu landen. 2018 setzte China erstmals einen Rover auf der von der Erde aus nicht sichtbaren Rückseite des Monds ab, um 2020 bei einer weiteren Landung Mondgestein einzusammeln und zur Erde zurückzutransportieren.
Zahlreiche Mondlandungen gingen schief – Raumfahrt ist schwierig
Die Missionen anderer Länder gingen in den vergangenen Jahren dagegen gründlich schief. 2019 schlug erst der israelische Lander „Beresheet“ hart auf der Mondoberfläche auf, statt dort weich zu landen. Nur Monate später traf das indische Landegerät „Vikram“ dasselbe Schicksal – das nun wohl auch die japanische Landesonde „Hakuto-R“ ereilt hat. Doch warum sind Landungen auf dem Mond heute noch so schwer? Seit der „Apollo“-Zeit hat sich die Technologie massiv verbessert – jedes Smartphone ist heute besser, als die Bordcomputer der „Apollo“-Mondlandekapseln.

„Mondlandungen sind immer eine Sequenz von kritischen Vorgängen, von denen jeder einzelne erfolgreich absolviert werden muss“, erklärt Michael Khan, Senior Mission Analysis Engineer bei der europäischen Raumfahrtorganisation Esa gegenüber fr.de von IPPEN.MEDIA. „Kritisch“ bedeute, dass ein Fehler nicht mehr korrigiert werden könne. „Ein Problem bei jedem einzelnen dieser Kette von Vorgängen führt leicht zum Fehlschlag der Landung, also zum Absturz“, macht der Esa-Experte deutlich.
Die „Apollo“-Mondlandungen wurden mit Piloten-Beteiligung durchgeführt
Sein Kollege Nico Dettmann ergänzt: „‚Apollo‘-Landungen wurden teilweise nur durch Interventionen der Crew ermöglicht“. Der Esa-Leiter für Mondtransportation erklärt: „Nur wenige Missionen mit voll automatischen Landesystemen waren bisher erfolgreich. Jeder Lander hat ein spezifisches Landesystem-Design, kann nur bedingt auf die Erfahrungen früherer Missionen zurückgreifen, und muss eine individuelle Qualifikation erreichen.“ Außerdem könne man Mondlandungen auf der Erde nur bedingt simulieren, „was für jeden Landertyp ein gewisses Restrisiko bedeutet“, so Dettmann weiter.
Was die „Hakuto-R“-Mission angeht, gibt sich Esa-Fachmann Dettmann jedoch verhalten optimistisch: „Heutige Systeme sind mit umfangreichen Messsystemen ausgestattet. Die großen Datenmengen, die bis zur Fehlfunktion in der Missionen erzeugt werden, erlauben mit großer Wahrscheinlichkeit, Fehler zu identifizieren und für folgende Missionen zu beheben.“ Das Unternehmen Ispace, das hinter der japanischen Mission steckt, hat bereits weitere Mondlandungen für 2024 und 2025 geplant.
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Mondlandung ist anders als eine Landung auf dem Mars oder der Erde
Eine Mondlandung ist nicht zu vergleichen mit einer Landung auf der Erde oder dem Mars. Beide Planeten haben eine Atmosphäre (der Mars eine dünnere als die Erde), die bei der Landung genutzt werden können, um das Fluggerät abzubremsen – beispielsweise durch Fallschirme. Auf dem Mond gibt es jedoch keine Atmosphäre – das einzige, was ein Fluggerät auf dem Weg zur Mondoberfläche abbremsen kann, ist das Triebwerk. Doch der Treibstoff, den ein Fluggerät an Bord hat, ist begrenzt – eine Landung auf dem Mond ist buchstäblich eine einmalige Sache, für die es nur einen Versuch gibt. Ist ein menschlicher Pilot an Bord, kann dieser schneller und flexibler reagieren als vorab eingespeicherte Kommandos.
Landungen unter Mondbedingungen können terrestrisch nur bedingt simuliert werden, was für jeden Landertyp ein gewisses Restrisiko bedeutet.
Grundsätzlich gilt: Viele Aspekte einer Mondlandung sind tatsächlich im Laufe der Zeit einfacher geworden. Mit genügend Geld kann man sich einen Raketenstart bei kommerziellen Firmen wie SpaceX kaufen, ähnliches gilt auch für Lande-Hardware. Dank hochauflösender Kameras, die auf Orbitern den Mond umkreisen, weiß man außerdem deutlich mehr über den Erdtrabanten als zur „Apollo“-Zeit und kann Landestellen gezielt auswählen.
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Schwierige Mondlandungen: Man weiß noch nicht genug über Regolith
Doch trotz großer technologischer Fortschritte, sind einige Dinge nicht einfacher geworden: Beispielsweise weiß man noch lange nicht genug über Regolith, das pulverartige Material, das einen großen Teil der Mondoberfläche mit einer mehrere Meter dicken Schicht bedeckt. Manche Forschende vermuten, dass dieser Staub ein Problem sein könnte für die neuartigen Sensoren, die bei Mondlandegeräten zum Einsatz kommen – und die es zu „Apollo“-Zeiten noch nicht gab.
Bei der Landung könnte eine Staubwolke aufgewirbelt werden, die die Sensoren daran hindert, Krater oder Steine zu erkennen. Die Triebwerke könnten bei der Landung außerdem genügend Mondmaterial bewegen, um dafür zu sorgen, dass das Landegerät schräg landet – oder bei der Landung gar umkippt. Simulationen auf der Erde helfen bei solchen Szenarien nur bedingt – vor allem dann nicht, wenn kein Mensch an Bord ist, der im Gefahrenfall eingreifen kann.
Im Sommer könnten sich bereits die nächsten beiden unbemannten Landegeräte auf den Weg zum Mond machen. Dann können die US-Firmen Astrobotic und Intuitive Machines zeigen, wie gut sie mit den Verhältnissen auf dem Mond umgehen können. Ein menschlicher Pilot wird erst im Rahmen des „Artemis“-Programms der Nasa im Jahr 2025 wieder an einer Mondlandung beteiligt sein und eingreifen können, falls bei der Landung etwas schiefgeht. (tab)
*Dieses Bild wurde mithilfe maschineller Unterstützung erstellt. Dafür wurde ein Sprachmodell genutzt, das Informationen aus ausgewählten Quellen verarbeitet. Auswahl der Quellen und Sprachmodellanfragen sowie finale Bearbeitung des Bildes: Art Director Nicolas Bruckmann.