Wie ein unterirdischer Ozean die Lebensfreundlichkeit der Erde beeinflusst

Unter der Erde gibt es genauso viel Wasser wie in den oberirdischen Ozeanen. Ein Forschungsteam zeigt, wie die unterirdischen Ozeane zur Lebensfreundlichkeit der Erde beitragen.
Clermont-Ferrand – Knapp drei Viertel der Erdoberfläche sind von Wasser bedeckt. Doch das ist nicht alles: Auch tief im Erdmantel gibt es große Mengen an Wasser, wissenschaftliche Schätzungen gehen davon aus, dass es dort unten noch einmal ähnlich viel Wasser wie an der Oberfläche gibt. Doch die oberirdischen und unterirdischen Ozeane sind nicht strikt voneinander getrennt, wie eine Studie aus dem Jahr 2022 gezeigt hat, die im Fachjournal Physics of the Earth and Planetary Interiors veröffentlicht wurde.
Wie Denis Andrault und Nathalie Bolfan-Casanova von der Universität Clermont-Auvergne in Frankreich herausgefunden haben, wird Wasser zwischen der Oberfläche und dem Erdmantel ausgetauscht. „Es gibt eine Schicht etwa 410 Kilometer unter der Oberfläche, die eine Menge Wasser aufnehmen kann“, erklärte Andrault gegenüber dem Portal Popular Science. Bisher dachte man, dass das Wasser für immer in dieser Schicht bleibt – doch das würde bedeuten, dass das Oberflächenwasser langsam weniger wird und im Mantel eingeschlossen bleibt.
In Stein gebundenes Wasser wird im Erdmantel freigesetzt
Doch dem ist offenbar nicht so, wie das Forschungsteam gezeigt hat. Um zu diesem Schluss zu kommen, hat das Team sich angeschaut, was passiert, wenn ein Stein mit gebundenem Wasser tief in den Erdmantel sinkt. Die Forschenden fanden heraus, dass das Gestein beim Absinken steigenden Temperaturen und höherem Druck ausgesetzt wird, dabei schmilzt und schließlich Wasser freisetzt.
Das Wasser im Inneren der Erde ist nicht flüssig. Es ist in seine Wasserstoff- und Sauerstoff-Atome zerlegt und chemisch an das Gestein gebunden. Schmilzt das Gestein, wird es zu einem wasserreichen Schlamm. „Stellen Sie sich eine breiige Mischung aus aneinandergeklebten Sandkörnern mit Schlamm dazwischen vor – der Schlamm ist der Mantelregen“, beschrieb Andrault. Mantelregen ist der Begriff, den das Forschungsteam für das neu entdeckte Phänomen gewählt hat.
Mantelregen im Inneren der Erde: Wasser steigt nach oben
Wenn mehr Gestein schmilzt, wird mehr Wasser freigesetzt und das geschmolzene Material wird leicht genug, um aufzusteigen. „Sobald sie schwimmfähig wird, kann die Schmelze schnell durch den Erdmantel nach oben sickern“, schrieb das Forschungsteam in der Studie. Im oberen Erdmantel bindet es sich an Mineralien und senkt deren Schmelzpunkt ab – das führt zu noch mehr Schmelze, die noch mehr Wasser freisetzt. Ein Kreislauf, der sich immer weiter fortsetzt und unter anderem das Wasservorkommen auf der Erde stabil hält. Solange dieser im Gleichgewicht ist, bleibt die Erde feucht und lebensfreundlich.
Erforschung der Erde
Die Erforschung der Erde steht im Mittelpunkt der Geologie. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchen beispielsweise den Erdkern mittels seismischer Wellen.
Bisher war bekannt, dass Wasser von der Erdoberfläche in den Erdmantel gelangen kann, wenn tektonische Platten unter andere Platten tauchen. Durch Vulkanausbrüche oder hydrothermale Schlote kann Wasser wieder an die Oberfläche gelangen. Das Wasservorkommen auf der Erde ist über die vergangenen Milliarden Jahre relativ stabil geblieben – in ihrer Studie zeigen Andrault und Bolfan-Casanova, dass der Mantelregen ausreichen könnte, um den Wasserzyklus im Gleichgewicht zu halten.
Mantelregen bringt Wasser an die Erdoberfläche
Das Modell des Mantelregens zeige, dass es noch einen anderen Weg geben könnte, Wasser an die Oberfläche zu transportieren, ist der Erdforscher Yoshinori Miyazaki überzeugt. Er war an der Studie nicht beteiligt, erklärt jedoch gegenüber Popular Science, was er davon hält. „Wir müssen noch viel über den tiefen Wasserzyklus der Erde lernen“, betont Miyazaki. „Sicher ist jedoch, dass es auf erstaunliche Weise gelungen ist, den durchschnittlichen Meeresspiegel der Erde in den letzten 500 Millionen Jahren – und wahrscheinlich noch länger – relativ konstant zu halten und so eine bewohnbare Umgebung für das Leben zu erhalten.“ (tab)