Dreiste Betrugsmasche: Kunden in „Panik“ – Banken machen Betrugsopfer selbst verantwortlich
E-Mail-Scams und Phishing-Mails sind eine beliebte Betrugsmasche. Im Schadensfall wälzen Banken die Schuld auf die „grob fahrlässigen“ Verbraucher ab.
Mannheim – Von digitalen Postfächern bis zum klassischen Briefkasten: Betrüger agieren heute auf allen Kanälen mit zunehmend raffinierten Maschen. Selbst aufmerksame Verbraucher haben es mittlerweile schwer, eine seriöse Nachricht vom potenziellen Phishing-Angriff zu unterscheiden.
Sobald es um Bankdaten geht, sollte man besonders achtsam sein. Was sonst passieren kann, musste Bernd Alt am eigenen Leib erfahren. In der Verbrauchersendung Super.Markt des rbb berichtet der Mann davon, wie er seine gesamte angesparte Altersvorsorge verloren hat.
Beliebte Betrugsmasche bei Bankkunden: Mann über Phishing-Mail abgezogen
Im Dezember 2024 erhält Alt scheinbar eine E-Mail der Comdirect-Bank, die ihn dazu auffordert, seinen photoTan zu verlängern. Dazu folgt er einem Link aus der Mail und loggt sich auf der vermeintlichen Webseite seiner Bank ein. Wenige Minuten später gibt er im Telefongespräch mit einem Comdirect-Mitarbeiter mehrmals seine Transaktionsnummern (TANs) durch – angeblich, um eine ungewollte Transaktion ins Ausland zu verhindern.

Dass Alt gerade auf eine Betrugsmasche hereinfällt und sein Erspartes erst während des Telefongesprächs auf ein anderes Konto transferiert wird, ahnt er zu diesem Zeitpunkt noch nicht. „Ich habe ihm die TAN dann gegeben, weil ich eben auch die Comdirect-Telefonnummer auf meinem Display gesehen hab“, erklärt Alt später. „Sie sind in Panik, Sie folgen mehr oder weniger dem Rettungsversuch des Anrufers. Sie machen einfach das, was er Ihnen sagt“, schildert er das Gespräch mit dem Betrüger.
Bankkunde verliert Altersvorsorge in Höhe von 20.000 Euro
Alt gibt am Telefon Überweisungen in Höhe von mehr 20.000 Euro frei. Die Rücklagen habe er für sein für seinen Ruhestand angespart, sagt er dem rbb. Die Betrüger transferierten das Geld zunächst zur C24-Bank in Deutschland, um es von dort aus ins Ausland weiterzuverteilen.
Noch am selben Tag meldet sich Alt selbständig noch einmal bei seiner Bank. Die weiß von nichts und leitet ihn zur Betrugsabteilung der Comdirect weiter. Dort wird Alt dazu aufgefordert, zunächst Anzeige bei der Polizei zu erstatten. Wenige Stunden später geht die Anzeigeerstattung bei der Comdirect ein – zu spät: Die Möglichkeiten der Rückerstattung seien ausgeschöpft, das Geld befinde sich bereits in Portugal.
Wurde zu langsam gehandelt? Auf Nachfrage bei der Comdirect-Bank seien die Anfragen auf Rücküberweisungen „unmittelbar, acht Minuten nach ihrem Anruf, an die empfangende Bank weitergeleitet“ worden. In einer Gegenstellungnahme der C24-Bank heißt es: „Wir haben am 4. Dezember 2024 gar nichts von der Comdirect erhalten. Der erste Überweisungsrückruf ging bei uns am 5.12.2024. Davor hatten wir von diesem Sachstand keine Kenntnis.“
Opfer von Bankbetrug: Wie sich Verbraucher schützen können
Für Betroffene wie Bernd Alt fühlt es sich hilflos an. Der Betrug hinterlässt eine Mischung aus Selbstvorwürfen und Frust über unzureichende Sicherheitsmaßnahmen: „Wenn einem so etwas passiert ist wie mir, dann ärgert man sich zunächst über sich selbst. Aber auch über die Banken, weil ich im Nachhinein glaube, dass das vermeidbar gewesen wäre, wenn genug gehandelt worden wäre – und das ist nicht passiert“, sagt er.
Um Kunden zu schützen, hat die Verbraucherzentrale (vbz) mehrere Tipps für mehr Sicherheit beim Onlinebanking aufgestellt:
- Keine vertraulichen Daten weitergeben: Banken fragen nie per E-Mail oder Telefon nach Passwörtern. Verdächtige Anfragen über offizielle Kanäle prüfen.
- Verfügungslimit festlegen: Legen Sie mit Ihrer Bank ein Überweisungslimit fest, um bei Betrug den Schaden zu begrenzen.
- Öffentliches WLAN vermeiden: Vermeiden Sie Online-Banking in öffentlichen WLANs, außer mit VPN-Schutz.
- Vorsicht bei Videoidentifizierung: Identifizieren Sie sich nur bei klarem Zweck mit Ihrem Personalausweis. Meiden Sie bezahlte ‚Testläufe‘ zur Identifikation.
- Auf Fehlermeldungen achten: Seien Sie skeptisch bei Fehlermeldungen nach Bankauftrags-Freigaben – kontaktieren Sie im Zweifelsfall Ihre Bank.
„Offenbar nicht in der Lage, den Kunden zu helfen“: Banken wälzen Betrugsschaden häufig auf Kunden ab
Der Betrug im Zahlungsverkehr nimmt seit Jahren zu. Dies zeigt eine Studie der vbz aus dem Jahr 2024. Die Aufklärungsquote nimmt stetig ab, während die Schadenssummen wachsen. Die EU-Richtlinie 2015/2366 sieht vor, dass Verbraucher bei Finanzdienstleistungsbetrug selbst nicht haften müssen.
In der Praxis ist meist das Gegenteil der Fall, denn: Banken werfen Verbrauchern bei Betrugsfällen oft „grob fahrlässiges“ Handeln vor und machen sie somit in voller Höhe haftbar. Laut Fachanwältin Nuriye Yildirim würde in rund 70 Prozent der Fälle der Verbraucher selbst zahlen. „Ich sehe eine große Mitverantwortung der Bank. Die ist offenbar nicht in der Lage, den Kunden in diesen Situationen zu helfen“, sagt sie bei Super.Markt.
Das Problem befinde sich nicht nur aufseiten des Verbrauchers, sondern auch aufseiten der Bank. „Es ist so, dass der Kunde bei solchen Vorfällen oft alleine gelassen wird, weil zu wenig Wissen vorhanden ist – auch bei den Mitarbeitern in der Bank. Die sind teilweise überfordert mit der Situation“, sagt Yildirim. Laut der Juristin würden Banken in dieser Hinsicht ihre erforderliche Sorgfaltspflicht nicht hinreichend beachten. „Das sind dann schon konkrete Pflichtverletzungen der Bank.“